Full text: Die neue Zeit

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„Anne! Anne! Einmal will ich mich satt 
trinken an Deinen Lippen.“ 
„Nein, nein, wir dürfen nicht.“ Bang, 
schmerzlich flüsterte sie es und wand sich aus seinen 
Armen. 
„Anne!“ beschwörend rief er noch einmal.ihren 
Namen. 
Sie preßte sich gegen den Stamm des Busches 
und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. 
Da hoͤrte sie die Zweige knacken, und als sie 
aufsah, war er fort. Und mit fort war der himm⸗ 
lische Friede ihrer Seele. Bitterlich weinend sank 
fie auf die kleine Kinderbank nieder. — 
Haßner war fortgeeilt; flüchtig hatte er sich 
bei Frau Rottmann verabschiedet und war stür— 
menden Schritts, sich selbst unbewußt, den Weg zum 
kleinen offenen Burgtor geeilt. 
Als er hastig atmend die Freiung betrat, flog 
vom Stein unter der Esche ein Weib empor und 
mit einem Jubelschrei ihm an die Brust. Und mit 
knirschenden Zähnen preßte er fie an sich. 
* 
Die Freunde saßen mit Rottmann bei der 
Lampe im Zimmer. Frau Rottmann ging suchend 
im Garten umher. Sie ging bis zum Holunder⸗ 
busch, da hörte sie ein leises Schluchzen. 
Vorsichtig bog sie die Aste auseinander und 
dann kniete fie neben ihrem Kind und drückte das 
heißgeweinte Angesicht an ihre kühlen Wangen. 
Sie sprach kein lautes Wort, aber innerlich hielt sie 
Zwiesprache mit ihrem Kind. Und nachdem das 
Weinen verstummt war, sagte sie nur den letzten
	        
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