Full text: Anselm von Feuerbach, der Jurist, als Philosoph

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Fichtes „Grundlage des Naturrechts nach den Prinzipien 
der Wissenschaftslehre‘“ und 
Kants „Metaphysik der Sitten‘ (erster Teil: Metaphy- 
sische Anfangsgründe der Rechtslehre). 
Das Werk Fichtes erschien im Jahre 1796, also in dem 
gleichen wie Feuerbachs. „Kritik des natürlichen Rechts‘‘, das- 
jenige Kants erst ein Jahr später (1797). Die Priorität der 
Kantschen Ansicht dürfte demnach nahezu als ausgeschlossen 
arscheinen. Es handelt sich nur darum, ob wir Feuerbach 
Glauben schenken dürfen, wenn er sagt, dass er vor dem Er- 
scheinen von Fichtes Naturrecht und unabhängig von dessen 
Philosophie diese Idee vertrat? — 
Dass Feuerbach um diese Zeit bereits schriftstellerisch 
tätig war, ist erwiesen, wenn, auch die vorliegenden, noch er- 
haltenen Schriften keinen direkten Beweis für obige Behaup- 
tung ergeben. Doch dürften folgende Momente für die Rich 
tigkeit von Feuerbachs Behauptung sprechen. 
Zunächst, dass er erst 1799 seinem Vater berichtet, er habe 
Fichtes Wissenschaftslehre gelesen und warne ihn, dasselbe zu 
tun. Von der Rechtslehre erwähnt er überhaupt nichts. Aber 
viel evidenter erscheint als Beweis die Behandlung des Zitates 
aus Fichtes „Kritik aller Offenbarung‘ auf S. 1101) von Feuer- 
bachs „Kritik des nat. Rechts‘. Aus ihr ergibt sich, dass er 
in dieser Frage bereits weiter vorangeschritten war als Fichte. 
Sie lautet?): „Das moralische Erlaubtsein gehört in die Zahl 
der Dinge, die eigentlich keine Dinge sind, und zwar für uns 
etwas, aber an sich nichts sind, so wie Finsternis nur die Ab- 
wesenheit des Lichtes und die schwarze Farbe eigentlich die 
Abwesenheit aller Farben ist. Fichte, der dies einsah, wie es 
auch wohl mehrere eingesehen haben, sucht das Recht aus 
dem Erlaubtsein dadurch herzuleiten, dass er sagt: „Was man 
wegen des Stillschweigens des Gesetzes darf, heisst, insoferne 
es auf das Gesetz bezogen wird, negativ, nicht unrecht, 
und insoferne es auf die dadurch entstehende Gesetzmässigkeit 
des Triebes bezogen wird, positiv ein Recht.“ Durch diese 
Beziehung aber wird die Negation immer noch nicht ın etwas 
Reales verwandelt. Der Trieb. wird gesetzmässig, heisst nichts 
weiter, als die Befriedigung des Triebes ist erlaubt, nicht ver 
‘) cfr, auch Nieth. Journal „Versuch über den Begriff des Rechts“ etc. 
’)\ Kritik d. nat. Rechts, S. 109—111.
	        
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