Full text: Stenographischer Bericht der 34ten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten zu Nürnberg vom 17. bis 20. Juni 1906 (34. (1906))

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Deshalb unsere Forderung, hinaus mit der Industrie aus der Han— 
delskammer; Schaffung von Vertretungen jedes selbständigen industriellen 
Gewerbes für einheitliche Wirtschaftsgebiete und Zusammenfassung aller 
dieser Vertretungen vielleicht in Provinzialverbänden. 
Der dritte Punkt endlich, wo die Beschwerden der Müller besonders 
vernehmlich einsetzen, ist die vom Gesetze geschaffene Unterscheidung zwischen 
fabriksmäßigen und handwerksmäßigen Mühlenbetrieben. Diese Be— 
schwerden werden ganz besonders dort laut, wo die Müller infolge der 
Rivalität der Handels- und Handwerkskammern sowohl zu den Kosten und 
Arbeiten der Handwerkerorganisationen als auch zu denjenigen der Han— 
delskammern herangezogen worden sind, während es doch eigentlich selbst— 
verständlich sein sollte, daß ein Müller entweder Handwerker oder aber 
Fabrikant ist, aber nicht beides zugleich sein kann. Der Ausweg, den 
man vorgeschlagen hat, um aus diesem Dilemma herauszukommen, näm— 
lich so zu verfahren, daß man die Mühlenbetriebe theoretisch in einen 
handwerksmäßigen und in einen fabrik- und kaufmännischen Teil zerlegen 
will, ist wohl nicht gangbar; denn er zerreißt ein einheitliches wirtschaäft— 
liches Gebilde. Wenn man schon die Kosten vielleicht so trennen könnte, 
ei der Person des Unternehmers und bei der Inanspruchnahme seiner 
versönlichen Arbeitskraft usw. muß ein solcher Versuch scheitern. 
Da die Trennung der handwerksmäßigen und der fabrikmäßigen Be— 
triebe unser Gewerbe ganz besonders scharf berührt und in den verschiedensten 
Richtungen vielfach zu Zwiespalt geführt hat, so bedarf es einer besonders 
eingehenden Behandlung dieser Frage; denn ich glaube nicht zu viel zu 
sagen, wenn ich meine, daß das Wohl der Müllerei zum großen Teile 
davon abhängt, daß der Gegensatz zwischen Handwerk und Fabrik in der 
Müllerei beseitigt werde, daß sich die beiden Brüder, Handwerker und 
Fabrikant, die sich jetzt leider so vielfach bekämpfen, verständigen und 
Hand in Hand gehen. 
Das Handwerkergesetz bezweckte, den Gemeingeist der Handwerker zu 
pflegen und zu stärken, ein gedeihliches Verhältnis zwischen Meistern und 
Gesellen herbeizuführen und Vorkehrungen zur bestmöglichen gewerblichen 
und sittlichen Ausbildung der Lehrlinge zu treffen. Fragt man nun, was 
in den verflossenen neun Jahren in diesen drei Richtungen geschaffen 
worden ist, so kann man wirklich keine befriedigende Antwort geben, we— 
nigstens nicht, soweit unser Gewerbe in Betracht kommt. Gewiß sind 
hier und da erfreuliche Anfänge sichtbar; gewiß sind hier und da hübsche 
Erfolge nachweisbar. Aber im großen Gaͤnzen hört mnan heute noͤch ge— 
nau dieselben Klagen wie vor Erlaß des Handwerkergesetzes. Noch sind 
keineswegs alle Müller organisiert; und wenn schon, so sind sie doch 
häufig nicht über eine äußere Form hinausgekommen.“ Nur dort, wo 
einzelne ganz besonders dazu geeignete Personen an leitender Stelle 
sttanden, ist ein Fortschritt bemerkbar. Die Gesellen- und Arbeiterverhält— 
nisse sind nicht besser, sondern eher ungünstiger geworden. Und auch in 
bezug auf die Lehrlingsfrage kann, von einigen rühmlichen Ausnahmen 
abgesehen, nichts besonderes gemeldet werden. 
Jedenfalls steht das fest, daß sich die großen Hoffnungen, die man 
in Regierungs- wie auch in Handwerkerkreisen an das Händwerkergesetz
	        
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