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Deshalb unsere Forderung, hinaus mit der Industrie aus der Han—
delskammer; Schaffung von Vertretungen jedes selbständigen industriellen
Gewerbes für einheitliche Wirtschaftsgebiete und Zusammenfassung aller
dieser Vertretungen vielleicht in Provinzialverbänden.
Der dritte Punkt endlich, wo die Beschwerden der Müller besonders
vernehmlich einsetzen, ist die vom Gesetze geschaffene Unterscheidung zwischen
fabriksmäßigen und handwerksmäßigen Mühlenbetrieben. Diese Be—
schwerden werden ganz besonders dort laut, wo die Müller infolge der
Rivalität der Handels- und Handwerkskammern sowohl zu den Kosten und
Arbeiten der Handwerkerorganisationen als auch zu denjenigen der Han—
delskammern herangezogen worden sind, während es doch eigentlich selbst—
verständlich sein sollte, daß ein Müller entweder Handwerker oder aber
Fabrikant ist, aber nicht beides zugleich sein kann. Der Ausweg, den
man vorgeschlagen hat, um aus diesem Dilemma herauszukommen, näm—
lich so zu verfahren, daß man die Mühlenbetriebe theoretisch in einen
handwerksmäßigen und in einen fabrik- und kaufmännischen Teil zerlegen
will, ist wohl nicht gangbar; denn er zerreißt ein einheitliches wirtschaäft—
liches Gebilde. Wenn man schon die Kosten vielleicht so trennen könnte,
ei der Person des Unternehmers und bei der Inanspruchnahme seiner
versönlichen Arbeitskraft usw. muß ein solcher Versuch scheitern.
Da die Trennung der handwerksmäßigen und der fabrikmäßigen Be—
triebe unser Gewerbe ganz besonders scharf berührt und in den verschiedensten
Richtungen vielfach zu Zwiespalt geführt hat, so bedarf es einer besonders
eingehenden Behandlung dieser Frage; denn ich glaube nicht zu viel zu
sagen, wenn ich meine, daß das Wohl der Müllerei zum großen Teile
davon abhängt, daß der Gegensatz zwischen Handwerk und Fabrik in der
Müllerei beseitigt werde, daß sich die beiden Brüder, Handwerker und
Fabrikant, die sich jetzt leider so vielfach bekämpfen, verständigen und
Hand in Hand gehen.
Das Handwerkergesetz bezweckte, den Gemeingeist der Handwerker zu
pflegen und zu stärken, ein gedeihliches Verhältnis zwischen Meistern und
Gesellen herbeizuführen und Vorkehrungen zur bestmöglichen gewerblichen
und sittlichen Ausbildung der Lehrlinge zu treffen. Fragt man nun, was
in den verflossenen neun Jahren in diesen drei Richtungen geschaffen
worden ist, so kann man wirklich keine befriedigende Antwort geben, we—
nigstens nicht, soweit unser Gewerbe in Betracht kommt. Gewiß sind
hier und da erfreuliche Anfänge sichtbar; gewiß sind hier und da hübsche
Erfolge nachweisbar. Aber im großen Gaͤnzen hört mnan heute noͤch ge—
nau dieselben Klagen wie vor Erlaß des Handwerkergesetzes. Noch sind
keineswegs alle Müller organisiert; und wenn schon, so sind sie doch
häufig nicht über eine äußere Form hinausgekommen.“ Nur dort, wo
einzelne ganz besonders dazu geeignete Personen an leitender Stelle
sttanden, ist ein Fortschritt bemerkbar. Die Gesellen- und Arbeiterverhält—
nisse sind nicht besser, sondern eher ungünstiger geworden. Und auch in
bezug auf die Lehrlingsfrage kann, von einigen rühmlichen Ausnahmen
abgesehen, nichts besonderes gemeldet werden.
Jedenfalls steht das fest, daß sich die großen Hoffnungen, die man
in Regierungs- wie auch in Handwerkerkreisen an das Händwerkergesetz