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Jedenfalls rechtfertigen alle Umstände es, daß der Verband Deutscher
Müller sich mit der Futtermittelfrage auf das kräftigste beschäftigt, daß
er scharf prüft, wie den Mißbräuchen auf diesem Gebiet abzuheffen sei.
Aus der Geschichte des Verbandes ist bekannt, daß er schon in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts viel und lebhaft mit der Ver—
tretung der Landwirtschaft über die Futtermittelfrage verhandelt hat,
zuletzt wohl in der Generalversammlung in Hamburg im Jahre 18090.
Leider sind alle diese Verhandlungen ohne Ergebnis geblieben, in der
Hauptsache, weil sich die Parteien nicht über gewisse grundlegende Begriffe
einigen konnten, insbesondere nicht über die Auslegung des Begriffes
Kleie. Einzelne Müller haben damals sogar versucht, dem Standpunkte
der Landwirtschaft, den man zwar nicht als berechtigt anerkennen konnte,
doch praktisch Rechnung zu tragen, indem sie bereit waren, zwei Sorten
Kleie herzustellen und bei der einen Sorte für gewisse Eigenschaften der
Futtermittel (z. B. dem Proteingehalt der Kleie) eine Gewährleistung zu
übernehmen. Aber auch das scheiterte, und zwar an dem Kostenpuͤnkt.
Jene Gewährleistung mußte unausbleiblich den Preis der Ware erhöhen,
aber niemand wollte den höheren Preis zahlen, und der Müller wacr nicht
in der Lage, die Verteueruͤng seinerseits zu tragen.
Während nun der Verband Deutscher Müller der Angelegenheit
nicht weiter nachgegangen ist, hat sich die deutsche Landwirtschaft faͤst uͤn—
unterbrochen damit beschäftigt, allerdings unter Verquickung dieser Sache
mit dem Handel von Düngemitteln und Saatgut. Auf Drängen der
Landwirtschaft hat die Reichsregierung im Jahre 1895 einen Gesetzent—
wurf über diese Angelegenheit herausgegeben. Dieser Entwurf suͤchte
aber seines gleichen an Schärfe gegen die Hersteller und Vertreiber von
Futtermitteln usp. An dem einmütigen Widerstand der Betroffenen
scheiterte dieser Gesetzentwurf, und das mit Recht; denn seine Be—
stimmungen trugen ausschließlich den Interessen der Landwirtschaft
Rechnung. Diesen einseitigen Interessen sollten Müllerei und Handel ge—
opfert werden.
Gelangte somit jener Gesetzentwurf mit Recht nicht zur Verab—
schiedung, so ist doch nicht zu verkennen, daß sein oberster Grundsatz,
durchaus berechtigt und zweckmäßig war, nämlich der, daß dieses Gebiet
der Volkswirtschaft überhaupt unter Gesetz gestellt würde. Diesen Grundsatz
anzunehmen, dürfte sich auch für den Verband Deutscher Müller empfehlen.
Aber wie bei jedem gesetzlichen Eingriff in das Getriebe der Volkswirt—
schaft ist auch hier äußerste Vorsicht am Platze. Bei solchen gesetzlichen
Maßnahmen liegt die Gefahr sehr nahe, entweder durch UÜbereifer und
Einseitigkeit berechtigte Interessen zu verletzen, wie jener Gesetzentwurf
von 1895 deutlich zeigte, oder aber andererseits papierne Bestimmungen
zu schaffen, die wirkungslos bleiben und nur neue Belästigungen für
den ohnehin schon mit einer Überfülle von Gesetzen bedachten Gewerbe—
treibenden bilden.
Vom Standpunkt der Müllerei ist außerdem zu bedenken, daß ein—
und dieselben Vorschriften wohl kaum für Groß- und Kleinbetriebe er—
lassen werden dürfen. Gerade für die Erzeugung der Futtermittel kommt
in Betracht, daß den kapitalkräftigen Großbetrieben ganz andere Maschinen