Volltext: Stenographischer Bericht der 34ten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten zu Nürnberg vom 17. bis 20. Juni 1906 (34. (1906))

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gemacht wie unsere Genossenschaften und wie der Einzelverkäufer, er hat 
den Weizen nicht an 10 Agenten gegeben, die herumliefen und schrien: 
10 Segler Weizen zu verkaufen! Nein, er ging mit den 10 Seglern in 
der Tasche an die Börse, suchte sich einen kaufkräftigen Käufer aus und 
machte mit ihm über einen Segler Kontrakt. Dann kam ein zweiter 
daran. Zufällig hörten das die andern und fragten unsern Mann: Sie 
haben wohl noch viel Segler zu verkaufen? Da sagte er: nein, nichts 
mehr! Als er sah, daß die Käufer mißtrauisch, behielt er seine Segler 
Weizen und hat die folgenden Tage abgewartet, an denen er in der Lage 
war, seine übrigen Segler gut zu verkaufen. Das ist der große Unter— 
schied zwischen gut organisiertem Angebot und desorganisiertem Angebot, 
dort, wo das Prinzip des Einzelverkäufers beibehalten wurde. Indem Sie so 
die Offerte übersetzen, m. H., rufen Sie beim Abnehmer, trotzdem die 
Masse gar nicht vorhanden ist, einen Eindruck hervor, der in solche Wir— 
zungen und Empfindungen sich übersetzt, welche den Glauben an eine 
große Ueberproduktion wachrufen. 
Sie sehen, m. H., wenn ich mich der Auffassung, von der ich weiß, 
daß sie in Müllerkreisen herrscht, wir hätten eine Überproduktion, nicht 
anschließe, so habe ich meine guten Gründe dafür und ich bin in der 
Lage, die Mißstände im Mühlengewerbe zu erklären, ohne auf die Dia— 
znose der Überproduktion zurückzugreifen. 
Wir haben ferner in der Müllerei viel Doppelverfrachtung. Wir 
wissen, ein Müller verkauft von Nürnberg nach Ansbach, der andere um— 
zekehrt von Ansbach nach Nürnberg. Der eine verkauft von Augsburg 
iach München und der andere offeriert von München nach Augsburg. 
Die Mehle fahren nebeneinander her und man hat dementsprechende Un— 
kosten, die von dem Gewinn abgehen. Dazu kommt die Schleuder— 
konkurrenz im Verkaufe mit zu weitgehenden Kreditgewährungen an die 
Bäcker. Dann kommen die langfristigen Lieferungsgeschäfte. Ich möchte 
erwähnen, daß ich vor kurzem in einem Brief von einem Agenten die 
Offerte fand: ich offeriee Mehl und zwar bis Mai 1907! Wie er in 
der Lage ist, sich bis dahin zu decken, das weiß ich allerdings nicht. 
Aber all das trägt nicht dazu bei, die Situation der Müller zu bessern. 
Das etwa, mm. H., sind die typischen Mißstände, welche ich sammeln 
konnte. Wir haben dieselben nach der eigentlichen Ursache aufzuklären: 
wo steckt der vollgestopfte Rechen? Wenn ich das alles zusammenfasse, 
dann gibt es keine andere Antwort als die längst bekannte: die freie 
Konkurrenz ist die eigentliche Ursache, der eigentliche verstopfte Rechen, 
der bewirkt, daß der ökonomische Zufluß stockt und daß Ihre Mühle in— 
folge der ökonomischen Stauungen zum Stillstehen kommt. Es ist aber 
ungenügend, wenn Sie bei dem Schlagworte der freien Konkurrenz nur 
an das denken, was man „laisser faire“ und „laisser aller“ nennt in 
der Bedeutung, daß jeder Einzelne tut und läßt, was ihm Spaß macht. 
Nein, m. H., das bedeutet noch etwas anderes. Die freie Konkurrenz be— 
deutet, daß die Entwicklung unserer volkswirtschaftlichen Verhältnisse in 
ihrer Oberleitung dem Privatinteresse des spekulativen Großkapitals über— 
lassen wird. Ein paar Jahre ist es her, da trat der Direktor der Deutschen 
Bank Dr. von Siemens im deutschen Reichstage hin und sagte mit
	        
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