Volltext: Zu Nürnberg

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und Staat, wurde anläßlich jener Vorstellung von den Damen 
entfaltet. — Man wollte der „Residenz“ in nichts nachstehen. 
Mit voller Aufmerksamkeit verfolgte der jugendliche Theater— 
und Musikschwärmer den Gang der Aufführung und bekundete 
offen seine Zufriedenheit — bei alledem hatte sein Auge Seit, 
das anwesende Publikum eingehender Besichtigung zu unterziehen. 
Seine besondere Aufmerksamkeit erregte eine junge Dame 
im einfachen weißen Mullkleide, eine eigenartige, vornehme 
5chönheit. — Sie nahm einen Rücksitz einer Loge J. Ranges, 
dem König schräg gegenüber ein. 
Die meisten Herren und Damen der besseren Kreise waren 
nicht im Stande, Auskunft auf des Königs Frage nach dem 
Mädchen zu erteilen. Sie war offenbar ein Fremdling in dieser 
gesellschaftlichen Atmosphäre. Endlich tauchte ein Kundiger auf, 
der das Inkognito zu lüften wußte. „Majestät, es ist die Cochter 
eines Kantors, eine junge Gesanglehrerin.“ 
Das Mädchen mit dem feinen blassen Gesichte, den großen, 
sentimentalen Augen, der profilirten Nase, den schmalen Lippen 
und dem prachtvollen Hhaare saß ahnungslos, in den Genuß der 
Aufführung vertieft, bescheiden im Hintergrunde. Es lag ihr 
wohl weltenfern, zu vermuten, daß sie Gegenstand der Unter— 
haltung in „den höchsten Kreisen“ war. 
Und doch schweiften des Königs Blicke wieder und wieder 
zu ihr hinüber. Gemahnten ihn ja das feine Oval, der ganze 
Schnitt des Antlitzes, die Haltung des Kopfes, die Allüren der 
Erscheinung an jenes Wesen, das er mit all' der schwärmerischen 
Liebe seiner jungen Feuerseele umfing — an seine hohe Braut, 
Prinzessin Sophie Charlotte Auguste, die jüngste Tochter des 
herzogs Max in Bayvern. „Fabelhafte Ähnlichkeit“ — murmelte 
er wiederholt. 
An folgenden Morgen braͤchten die „vereinigten Sänger“ 
dem König einen poetischen Morgengruß im alten Burghof dar. 
Den Tageslauf füllten teils Besichtigung der Stadt, teils Empfang 
der Militärbehörden 2c. aus. — Dann kam der Abend des
	        
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