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flüstert: „Hättest's freilich anders, wenn Deine Mutter noch lebte,
's ist halt die Stiefmutter! Das weiß man ja, daß eine Stief—
mutter auch den Stiefvater macht!“
So lange der Sorn über ein Verbot oder ein Gebot der
Mutter in dem jungen Herzen tobte, waren dergleichen Reden
ein wahrer Balsam für Resi; war aber dieser stürmische, unsinnige
Peiniger der Menschenbrust verraucht, kehrte Besonnenheit und
mit ihr ruhiges Nachdenken wieder ein: dann lautete ihr innerstes
Urteil über die Stiefmutter doch anders!
Das Mädchen war ein viel zu heller Kopf, um nicht er—
kennen zu müssen, daß ihr im Elternhause kein Unrecht zugefügt
wurde, daß Vater und Mutter ihr Liebe und Wohlwollen ent—
gegenbrachten, selbst wenn sie Strenge übten! Aber der Trotz,
der starre Trotz war doch noch mächtiger, als das, leise sich
regende Gerechtigkeitsgefühl. — —
„Sie“ war eben die Stiefmutter, die „herrschsüchtige Frau“,
die den Platz ihrer armen toten Mutter einnahm und sie nur
unglücklich machen wollte! Nein! tausendmal: Nein! Nur nicht
nachgeben! Was die Stiefmutter gut hieß, durfte ihr nimmer
recht sein! — —
So vergingen die Jahre. Aus der kleinen Resi, die
oft einer wilden Katze glich, war ein erwachsenes Mädchen
geworden.
Manche scharfe Kante ihres Charakters hatte sich im
Laufe der Seit etwas abgeschliffen, aber der alte Trotz war
und blieb immer noch da!l —
Und ach! er machte sie selber nur unglücklich, verbitterte
ihrer nächsten Umgebung gar oft das Leben. — —
Die Thorwärterin hatte einen Neffen, das war ein braver,
guter Bursche, seines Gewerbes Runstgärtner.
Gar manche freie Stunde verbrachte er im Thorwarthäus—
chen. Es waren ja nicht allein die verwandtschaftlichen Gefühle,
die ihn hinführten, wohl mächtiger zog ihn eine tiefe Neigung
zu Resi hin. Er wußte sich nichts Lieberes als einen Blick in