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gewesen, nimm das Geld, wo ich Dir schick' und komm und
bitt' Dein alten Vattern um Verzeihung vor er in's Grab geht
und steh Deiner armen Mutter bei. Du bist doch ihr Einziger
und sie hat glaubt, sie werd vill Freud an Dir derleben und
hat sich nun die Augen faßt blind geweint. Es grüßt und
segnet Dich Deine Mutter.“
Mit Thränen tiefster, aufrichtigster Rührung hatte Heinrich
den Brief gelesen und an die Lippen gedrückt.
„Ich komme, Du gutes, armes Mütterchen, ich komme“
flüsterte er. „Du sollst auch Freude erleben an Deinem Einzigen,
Du sollst ihn wieder verstehen lernen, wie Du ihn früher ver—
standest. Du sollst nicht mehr weinen und der teure Vater nicht
mehr böse sein.“
In fliegender Eile packte er seine Habseligkeiten zusammen,
dann suchte er Nelly auf.
„Ich muß fort, Geliebte, mein sterbender Vater verlangt
nach mir. Bleibe mir gut und treu. Ich werde nicht nach
England zurückkehren, sondern mich dauernd in meiner Vater—
stadt Nürnberg niederlassen. Habe ich dort festen Fuß gefaßt
und mir eine sichere Existenz geschaffen, so folgst Du mir nach
und wirst mein Weib — willst Du?“
Nelly machte ein wenig begeistertes Gesicht. „Nach Deutsch—
land soll ich — in einer kleinen Stadt mich als züchtige Haus—
frau niederlassen? Hm. Weißt Du, lieber Heinrich, ich bin Dir
cecht gut — aber das muß ich mir doch gründlich überlegen.“
„Nelly! Hast Du nicht geschworen Freud und Leid mit
mir zu teilen — mir zu folgen, bis ans Ende der Welt?“
Sie wandte sich schmollend ab. „Nun ja, das sind Redens—
arten. Ich hoffte doch, Du gingst mit mir nach England und
versöhntest Dich mit Deinem Onkel. Ich will doch nicht mit
Dir am Hungertuch nagen — man braucht etwas zum Leben,
zumal wenn man jung und hübsch ist.“
„Nelly“ rief Heinrich mit schmerzbebender Stimme, „so
hast Du in mir nur den reichen Erben gesehen? Nur an des
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