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von der seelischen Schwermut die Rede sein kann. Mit dem
Temperament und mit dem körperlich krankhaften Zustande hat
Dürers Darstellung nichts zu thun. Schon bei dem Arzte Konrad
von Megenberg (1309—1374) finden sich die Stellen: „diu mel-
ancoli macht die läut toerocht, alsö daz manig mensch sich selber
ertoett oder waent es sei glesein oder es sei töt‘“. (326, 11.) und an
anderer Stelle, ausgehend von dem körperlichen Zustande, dass
wenn die Melancholie Oberhand im Menschen gewinnt, „so kümpt
dem menschen sweigen und betrahten und zwaerikeit, wainen
und träkheit, vorht und sorg und klainmüetikhait.“ (30, 33). Der
moderne Begriff der Schwermut, des Weltschmerzes, ohne jeden
Zusammenhang mit körperlichen Zuständen ist zu Dürers Zeit
schon_völlig_ausgeprägt vorhanden und sogar sehr verbreitet, viel
verbreiteter, als die beiden andern Bedeutungen des Wortes. Die
Ursachen dafür werden im nächsten Kapitel gegeben. Hier seien
jetzt nur einige litterarische Belege für den seelischen Sinn des
Wortes Melancholie in Dürers Zeit gegeben. Grimm nennt in
seinem Wörterbuche: „ich belustigte mich sehr ausz diesem buch,
allein es wolt mir doch nicht alle melancholie benehmen (Schup-
pius 178). Dann aus dem deutschen Grobian (H! 2), einem Volks-
buch des 15. und 16. Jahrhunderts :
wann sie dich sehen solches treiben
so wirt jr keiner nüchtern bleiben,
und schicken hin melancolei
so ın mit wein zu helfen sei.
Merkwürdig nahe mit der gedankenvoll dasitzenden Frauen-
gestalt Dürers berührt sich die Stelle aus der Zimmer’schen
Chronik :
ains mals ich in gedanken sasz
mein herz das ward in freuden lasz,
umbgeben mit der fantasei
darzu auch die melancolei, (4, 336, ı8).
Man könnte diese Strophe direkt als Unterschrift unter Dürers
Stich setzen.
Ich möchte zu diesen Belegstellen noch den Hinweis auf eine
| Dichtung von Dürers Heimat- und Zeitgenossen Hans Sachs
} fügen „Gespräch der Philosophia mit einem melancholischen betrüb-