war, (wie wir aus den Verhandlungen Wimphelings vom Jahre
1522 über die Reform des Universitätsunterrichtes erfahren),! und
dass es, wie A. v. Humboldt in seinem „Kosmos“ urteilt, „die
Verbreitung des Wissens ‚ein halbes Jahrhundert lang auf eine
merkwürdige Weise gefördert hat‘, so erscheint es allerdings als
durchaus wahrscheinlich, dass Hauptgedanken aus einem solchen
allbekannten Werke auf ziemlich allgemeines Verständnis wenig-
stens der Gebildeten rechnen: konnten, wenn sie Dürer zum
Gegenstande künstlerischer Gestaltung machte. Dass Dürer dieses
mit riesenhaftem Sammelfleisse zusammengetragene Werk selbst
gekannt habe, welches in seinen 12 Büchern so ziemlich alles
enthielt, was die Scholastik an Kenntnissen aufgespeichert hatte,
ist schon darum höchst glaubhaft, weil darin Dürers Lieblings-
wissenschaft, die Mathematik, sehr ausführlich behandelt ist. Zudem
war Reisch auf's Engste befreundet mit dem Kreise von Humanisten,
in welchem auch Dürer Freunde besass.* Was endlich jene
Dreiteilung der menschlichen Tugenden anbelangt, so war deren
Kenntnis und Verbreitung nicht einmal abhängig von der Verbreit-
ung der Margaritha philosophica, denn Reisch wiederholt damit,
das hat sich mir im Laufe der Untersuchung ergeben, nur ein
seit Jahrhunderten formuliertes Einteilungssystem der Scholastik.
Dieselbe Dreiteilung findet sich schon z. B. bei Thomas von
Aquino® und Petrus Lombardus,* wahrscheinlich auch
noch höher hinauf. Doch liess ich von weiterer Verfolgung ab,
um mich nicht zu sehr zu zersplittern.
Jedenfalls sind diese Thatsachen alle durchaus geeignet, diese
scholastische Tugendtrilogie als Anregung für Dürers Trilogie
zlaubhaft zu machen und gerade für die Margaritha Reischs als
Vermittlerin derselben einzunehmen.
Wie steht es nun mit der Uebereinstimmung im Einzelnen ?
Beim ersten Blatte, der Melancholie, ist sie insofern überraschend,
| 1 Urkundenbuch der Universität Heidelberg ed. Winckelmann. 1ı.
Bd. p. 216 Nr. 163.
3 Vgl. die ausführliche Lebensbeschreibung des Gregor Reisch
von Hartfelder, Zitschr. f. Gesch. d. Oberrheins, N. F. Bd, V. Frei-
burg 1890, 170 fg.
3 Summa Theologica. Prima Secundae, quaestio 55, 57, 58fg, 62. cf.
auch Secunda secundae, |
4 Libri sententiarum lib, III, distinctio 23 fg., dist, 33.