Full text: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

Glaube. Das Jahrhundert des Erasmus, des Kopernikus und 
Martin Luthers ist in diesen drei Meisterwerken verewigt worden.“ 
So ansprechend diese. Auslegung ist, so schien doch die 
Deutungsgrenze eine wesentliche Verengerung zu erfahren durch 
den Hinweis Friedrich Lippmanns auf eine zeitgenössische 
Quelle ersten Ranges, die Margaritha philosophica des Gregor 
Reisch, deren Dreiteilung der menschlichen Tugenden in solche 
des Verstandes (Virtutes intillectuales), in moralische (Virtutes 
morales) und theologische (Virtutes theologicales) endlich den 
Schlüssel zu der lange gesuchten Gedankeneinheit der drei Stiche 
zu enthalten schien. Der Sitzungsbericht der Berliner kunstge- 
schichtlichen Gesellschaft (1892, IV.), auf den ich mich hierbei 
stütze, fasst die Hauptgedanken des Vortrages, in die Sätze zu- 
sammen: „Die Blätter. Melancholie, Ritter Tod und Teufel, 
Hieronymus erklärt der Vortragende als drei zusammengehörige 
Stücke, die jedoch nicht die Temperamente darstellen (zu denen 
das vierte fehlen würde), sondern die Virtutes, die ethischen 
Eigenschaften des Menschen, die nach der Margaritha philosophica 
des Gregor Reisch dreierlei Art sind, „Virtutes intellectuales, 
welche die „Melancholie“, „Virtutes morales“, welche „Ritter Tod 
und Teufel“, ‚Virtutes theologicales‘, welche der Hieronymus 
verbildlicht. Herr Lippmann vermutet, dass diese philosophische 
Anschauung als gedanklicher Hintergrund Dürer bei der Concep- 
tion seiner drei Hauptstücke vorgeschwebt habe. Dass diese drei 
Stücke daher eine vollständige Gruppe bilden, zu der ein viertes 
nicht fehlt und nie geplant sein konnte.“ 
Auch Konrad Lange hat, .wie er mir mitteilte, diese Aus- 
legung seither übernommen. Lippmann hat sie durch die Ein- 
verleibung in sein Handbuch des Kupferstiches! den weitesten 
Kreisen zugänglich gemacht. 
Wenn man bedenkt, dass jenes zuerst 1496, dann wieder 
1503 erschienene Handbuch des gelehrten Freiburger Karthäuser- 
priors von da an alle 2 bis 3 Jahre neue Auflagen erlebte, in 
zahlreiche fremde Sprachen übersetzt wurde, an den deutschen 
Hochschulen längere Zeit eines der gebräuchlichsten Lehrbücher 
ı Handbücher der kgl. Museen zu Berlin. Friedr, Lippmann, der 
Kupferstich. 18093 S, 51.
	        
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