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3. Der siegreiche Rönig.
1858 — 1866.
Schwere Krankheit nötigte den König Friedrich Wilhelm IV.,
am 7. Oktober 1858 seinem Bruder Wilhelm die Regenischaft
zu übertragen. Und als er am 2. Januar 1861 zu Potsdam
starb, bestieg der bisherige „Prinzregent“ als König Wilhelm J.
den preußischen Thron.
Von der Regierung seines verstorbenen Bruders war dem
neuen, 64 jährigen Herrscher eine schwierige Aufgabe überkommen,
deren Erfüllung bisher trotz aller Bemühungen gescheitert war, und
zu deren Erfüllung die Stimmung des deutschen Volkes immer
mehr drängte. Diese Aufgabe verlangte die Lösung der deutschen
Frage; der Kern dieser aber war die Frage, welchem von den
beiden Großstaaten die Führung Deutschlands zukommen sollte, dem
habsburgischen Osterreich, das seit Jahrhunderten, nicht zum Vorteil
des deutschen Reiches, die Führerrolle gespielt hatte, oder dem
Königreich Preußen, das seit den glänzenden Siegen Friedrichs des
Großen als neue europäische Großmacht dem bisher führenden
Staate ein anspruchsvoller und unbequemer Nachbar geworden war.
Schon war es dahin gekommen, daß im Jahre 1850 Preußen sein
Heer in Bereitschaft stellte, um seine Pläne für eine Neugestaltung
des deutschen Bundes mit Gewalt der Waffen durchzusetzen, aber
die drohende Haltung Rußlands, das sich auf sterreichs Seite
stellte, veranlaßte es, bei den Verhandlungen in Olmütz alle seine
Ansprüche unrühmlich fallen zu lassen.
Der Prinzregent war sich der Größe und Schwierigkeit der
Aufgabe, die seiner harrte, und der Gefahren, denen seine
Regierung entgegenging, sehr lebhaft bewußt. Darum suchte er
in weiser Voraussicht das Heer, auf dem Preußens Ehre und
Macht beruhte, durch eine angemessene Neugestaltung für die
kommenden Ereignisse vorzubereiten. Deshalb erklärte er am
ersten Tage seiner Regierung den neu berufenen Ministern:
„Preußens Heer muß mächtig und angesehen sein, um, wenn es
gilt, ein schwerwiegendes politisches Gewicht in die Wagschale
legen zu können.“ Welcher Art die Neugestaltung sein mußte,