Full text: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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ansern ursprünglichsten Nationaldichter“ erklärt. In der späteren 
Zeit des sogenannten bürgerlichen Abschnittes der deutschen Dichtung 
sei Hans Sachs „unstreitig der geistvollste, reichste und originellste 
Dichter der ganzen Classe“ gewesen. Den Meistergesang faßt Schlegel 
als eine ziemlich harmlose Beschäftigung der bürgerlichen Kreise 
auf. Man müsse bei einzelnen, wie z. B. bei Hans Sachs, die Lei- 
stungen als Dichter von der Tätigkeit in der Meistersängerschule 
;rennen. Seine Poesie und die geistesverwandter Dichter sei „aus 
zanz andern Quellen genährt“. Der Vergleich Hans Sachsens mit 
Dürer fällt zu Gunsten des letzteren aus, doch sei im Kostüm eine 
gewisse Ähnlichkeit vorhanden. Schlegel vermißt in der Poesie Hans 
Sachsens das Musikalische, das Reimen habe sich bei ihm zu ein- 
tönig mechanisch vollzogen. Seine Gedichte seien „sämtlich in der 
That nur Capitel eines einzigen Buchs: seines gesunden, nüchternen, 
emsigen, besonnenen und heitern Lebens.“ Fremd sei ihm die Kunst 
des Verschweigens, in seinem Tintenfaß — die Tintenfässer waren 
damals groß — sei nichts zurückgeblieben. Sein Wissen ging auf 
Belehrung aus. „Erfahrung war die Mutter seiner Poesie, und Ver- 
ständigkeit seine. Muse, selbst sein Scherz hat durchaus diese 
Richtung.“ „Seine Caricaturschilderungen der Thorheiten und Laster 
werden durch ihre unübertreffliche Vollständigkeit gleichsam sym- 
volisch und für immer gültig“. Zu den vorzüglichsten Stücken ge- 
nören die allegorischen, zwar etwas derb, aber ergötzlich seien die 
Fastnachtsspiele, seine Sprache sei eine Fundgrube an Altertüm- 
lichkeit. Schlegel gedenkt dann der Wiedererweckung des Andenkens 
an Hans Sachs und der „Hans- Sachsischen Weise“ durch Goethe. 
Freilich sei Deutschland „seitdem mit schlechten Hans - Sachsisch 
seyn sollenden Versen überschwemmt worden, von Autoren die keine 
Zeile vom Hans Sachs gelesen haben.“1! Das blinde Darauflosreimen 
nach einem Muster, das man in Wirklichkeit gar nicht kannte, gedieh 
also üppig weiter. In den Vorlesungen über dramatische Kunst 
und Literatur, die A, W. Schlegel im Frühling 1808 in Wien hielt, 
hat er zwar im selben Sinne wie in den zu Berlin gehaltenen Vor- 
lesungen, doch nur sehr knapp zu Hans Sachs Stellung genommen. 
Bei der Erwähnung von Goethes „Triumph der Empfindsamkeit“ 
weist er darauf hin, daß sich Goethe weit früher „in einigen 
ı Deutsche Litteraturdenkmale des 18. und 19 Jhdts. 19, S. 25. 53—60.
	        
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