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auch in Schwung. Goethe stand in dieser Hinsicht jedenfalls in
besonderem Ansehen. Selbst Nicolai, der Goethe für den Verfasser
der von Heinrich Leopold Wagner im Kampf um „Die Leiden
les jungen Werthers“ veröffentlichten Farce „Prometheus Deukalion
und seine ‘ Recensenten“ (1775) hielt, schrieb an Höpfner
“13. April 1775), er „kenne kaum noch Einen, der mit so vieler
irolligten Laune Knittelverse machen kann.“ ! Heinse meint freilich,
daß darin „kaum Göthens Manier in Knittelversen, geschweige
sein Geist“ zu finden sei.2? Der „Prometheus“ Wagners, der vom
Verfasser im vermeintlichen Interesse Goethes geschrieben worden
war, lehrt aber gerade, wie Goethe mit seiner eigenen Manier zu
lichten in eine unangenehme Lage versetzt werden konnte. Denn
wenn auch der „Prometheus“ nach seinem geistigen Gehalt hinter
Goethes Dichtungen dieser Art zurückstand, so hatte Wagner doch
len Hans-Sachsischen Ton, wie er dort in der Verstechnik sich
zeigte, im ganzen getroffen.®
Übrigens waren die Geister, denen Goethe mit seiner Hans-
Jachsischen Dichtungsart neue Lebensluft zugeführt hatte, ohne
ihnen natürlich eine burleske Fratze des Meistersängers ausliefern
zu wollen, im Bekritteln des Hans Sachs noch recht rege. Im
selben Jahre 1775, da Nicolai in dieser Frage sein Wörtlein ge-
sprochen hatte, erschien die „Chronologie des deutschen. Theaters“
von Christian Heinrich Schmid, der damals als Professor der
Zeredsamkeit und Dichtkunst zu Gießen wirkte.“ Hier wird in der
seichten Kritik Schmids Hans Sachs, „der bekannte Schuster, dem
as bey seiner Ader von Kurzweile und mechanischen Leichtigkeit
nicht schwer fiel, eine Menge von Fastnachtsspielen nach den Leisten
seiner Vorgänger zu verfertigen“, stark mitgenommen, Er kann aber
nicht leugnen, daß sich hie und da ein Ansatz zur Charakterisierung
1 Briefe aus dem Freundeskreise von Goethe, Herder, Hönfner und
Merck. Hg. von K. Wagner, Leipzig, 1847, S. 116. —
2 Erich Schmidt, Heinrich Leonoll Wagner Goethes JTugendgenosse.
2. Auflage, Jena, 1879, S. 44.
3 Der „Prometheus“ ist wieder herausgegeben worden von A. Sauer
in der Deutschen National-Literatur, hg. von J. Kürschner, 80. Bd., Berlin
and Stuttgart, S. 359—380. Ferner auch in der Neuausgabe des „Rheinischen
Mostes“ durch M. Desceltes in der Bibliothek litterar. ınd kulturhist, Selten-
heiten. No. 4/5, Leipzig, 1904, S. 119—146.
+ Der Name des Verfassers der „Chronologie“ war nicht genannt.