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pfinden einwirkte. Man hat auch behauptet, daß damals seine Sprache
aus Hans Sachs und Luther „Machtwörter“ aufgenommen habe
Hans Sachs und Luther die „Lieblingsfiguren“ ‚des Straßburger
Goethe gewesen seien. Ich wüßte diese Behauptung von Richard
Weißenfels, soweit es sich um Hans Sachs handelt, nicht zu stützen.
Sie bedarf jedenfalls noch des strengeren Beweises.! Durch Herder
war Goethes Aufmerksamkeit auf Shakespeare gelenkt worden
und Jakob Michael Reinhold Lenz, der dem Straßburger Kreise,
dem Goethe angehörte, nahestand, hat damals seinen Freunden
seine „Anmerkungen übers Theater“ vorgelegt, die bei aller Wunder-
lichkeit doch auch treffende Bemerkungen über dramatische Kunst
onthalten und auch auf Hans Sachs zurückgreifen.? Lenz führt darin
an einer Stelle (S. 52) aus, daß das Trauerspiel bei uns nicht das Mittel
war, Begebenheiten der Nachwelt vorzuführen, sondern merkwürdige
Personen und daher „uns unsere ältesten Schauspieldichter oft in
einem Akt ohne Anstoß durch verschiedene Jahre“ geleiten. Als
Beispiel nennt er die „Griselda“ Hans Sachsens, in der der Dichter
die Heldin ohne Bedenken „in einem Auftritte freyen, heyrathen.
noch nicht. Ich glaube, daß hier jedenfalls an die Übersendung des „Götz
von Berlichingen“ zu denken ist, es fragt sich nur, in welcher Form. Wenn
nicht von dem Hausbau die Rede wäre, würde man doch am liebsten in den
Dezember 1771 zurückgehen.
1 Richard Weißenfels, Goethe im Sturm und Drang, 1. Bd., Halle,
1894, S. 207, 250. Die „Ephemerides“, die Straßburger Lektüre buchen, wissen
aber nichts von Hans Sachs (Deutsche Litteraturdenkmale, hg. von B. Seuffert,
14 (1883), S. XV). Ebenso finde ich bei einem Kenner der Sprache Goethes
wie Konrad Burdach keine Bemerkung darüber, daß Hans Sachs auf Goethes
Sprachgebrauch in Straßburg besonders eingewirkt hätte („Die Sprache des
jungen Goethe“ in den Verhandlungen der 87. Vers. deutscher Philologen in
Dessau 1884, Leipzig, 1885, S. 166—180). Man vgl. auch Veit Valentin,
Goethe, Gotik und Knittelvers, in der Zeitschrift für vergl. Litteratur-
yeschichte. N. F., 9. Bd. (1896), S. 289.
2 Sie erschienen namenlos :in Leipzig 1774 und wurden vereinzelt
auch Goethe zugeschrieben, — Vgl. auch Albert Bielschowsky, Goethe,
2, Aufl., 1. Bd., München, 1898, S. 124. H. Düntzer setzt die „Anmerkungen“
allerdings aus inneren Gründen entgegen der Angabe Lenzens erst nach
dem Erscheinen des „Götz“ an und meint, sie‘ wären als Einleitung zur
Übersetzung von Shakespeares Love’s Labour’s Lost abgefaßt, als Herders
Aufsatz über Shakespeare Lenz bereits vorlag (Blätter für literar. Unter-
haltung, Leipzig, 1892, 8. 243). Darnach würden sie etwa an den Anfang
Jes Jahres 1774 gehören. Erwiesen ist indes diese Annahme nicht.