Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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Buches entspricht allerdings unseren Anforderungen nicht mehr. 
Der redselige Verfasser ist namentlich von einem Anfluge von 
Bigotterie nicht frei, Der Schwerpunkt ruht in den Anmerkungen, 
in denen ein ganz außerordentliches Material mit Sorgfalt aufge- 
stapelt ist, so daß sie heute noch dem Forscher als verläßliche Weg- 
weiser dienen. Ranisch beschreibt nicht nur den Lebenslauf des Meister- 
sängers, er schildert auch seine Zeit, seine Stellung zum Luthertum, 
ar behandelt seine Werke nach verschiedenen Gesichtspunkten, 
zeine Verdienste um den Meistergesang, er führt uns Hans Sachsens 
Bildnisse vor, seine Verehrer und Verächter — also das Nachleben 
- und schließt mit einer allerdings recht nüchternen „Anwendung 
dieser Geschichte“. Den Anhang bildet Puschmans „Elogium“. Der 
Geist, in dem das ganze Werk abgefaßt ist, spricht sich in Ranisch’ 
eigenen Worten aus (S. 11): „Uebrigens erinnere ich vorher, daß ich 
jetzt keine Lobschrift, sondern eine Geschichte schreibe, in welcher ich 
zwar die Gesetze einer historischen Schrift durch kein übertriebenes 
Lob seiner Verdienste und Tugenden überschreiten, aber doch auch 
einer unschuldigen Liebe so viel, als die strenge Wahrheit ver- 
stattet, wie ich hoffe, mit Erlaubniß aller billigen Leser, einräumen 
werde. . .. Ich habe nicht die geringste Lust und gar keine Ur- 
sache, meinen Meistersänger anders als nach der Vorschrift einer 
kritischen Gerechtigkeit nur in seiner natürlichen Größe der gelehrten 
Welt aufzustellen“. Ranisch hat sein Auge gegen die Fehler Hans 
Jachsens nicht verschlossen, ein ruhiges Abwägen ergibt Vorzüge 
des Inhaltes gegenüber Mängeln der Form. Er hat das Wort aus- 
gesprochen, das bald lebhaften Nachhall erwecken sollte, daß Hans 
Sachs „zum Poeten gebohren“ sei (S. 184). Im ganzen ist das 
Werk die Frucht liebevoller Hingabe an einen würdigen Gegenstand. 
Die Weihe höherer Kritik hat es allerdings noch nicht em- 
pfangen, die Kritik war eben erst geboren worden. Lessing hatte in den 
1765 abgeschlossenen Literaturbriefen die Bahn gebrochen und 1766 
erschien sein „Laokoon“. 
Ob das redliche Bemühen des Biographen Ranisch belohnt 
wurde, ob seine literarische Leistung auf die Zeitgenossen 
einen tieferen Eindruck machte, bleibt fraglich. Kein Anzeichen 
spricht dafür.! Um das Werk der Ehrenrettung Hans Sachsens zu 
1 Im. Anhang zu den „Physiognomischen Reisen“ von Musaeus, also 
dreizehn Jahre nach ihrem Erscheinen, wird die „Lebensbeschreibung“ vom
	        
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