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Fastnachtsspiele nachahmete. Es ist aber in den Augen eines Kenners
angenehm, zu sehen, wie sich ein guter Kopf von der untersten
Staffel allmählig höher geschwungen hat.“ Gelegentlich merkt
Gottsched einen Fortschritt Hans Sachsens an (1. T., S. 51). Wie
man den Messias in einer Komödie behandeln könne, leuchtet ihm
nicht ein (S. 60). Gar nicht hineindenken kann er sich in die Ko-
mödie von den ungleichen Kindern Evas (S. 99). Schon in der
kritischen Dichtkunst (1. Aufl., S. 593) hatte er gefunden, daß darin
doch gar zu phantastische Sprünge gemacht werden. Wie konnte
Gott Vater die Kinder Evas nach dem Lutherischen Katechismus
prüfen! Und wenn‘ die Abwesenheit Kains einmal damit erklärt
wird, daß er sich „mit den Buben auf der Gassen“ schlage, so spöttelt
der Herr Professor: „ohne Zweifel mit den Kindern der Präada-
miten“. Gelegentlich wird dann auf die „erstaunliche Fruchtbarkeit“
Hans Sachsens hingewiesen und im zweiten Teile des „Vorrathes“
1765, 8. 197 ff.) noch etwas Bibliographie nachgetragen.
Gottsched erblickte in Hans Sachs vor allem einen Vertreter
alter deutscher Sinnesart, Die Bezeichnung „Biedermann“, mit der
er ihn gelegentlich ehrt, spielt auch bei Hans Sachs eine Rolle. Aber
den Nürnberger Meistersänger in seiner Eigenart selbständig zu
charakterisieren, das vermochte Gottsched nicht, nur ein Ansatz
dazu ist bei ihm zu finden. Dagegen hat sich Gottsched durch seine
Sammeltätigkeit und das Verzeichnen Hans-Sachsischer Werke . um
dessen Nachleben ein unleugbares Verdienst erworben.
Die würdevolle Behandlung, die Hans Sachs von Seiten
Gottscheds erfuhr, sollte indes nicht vorbildlich werden für die Zeit
des großen Literaturkrieges., Fortzeugend wußte die alte Sünde
oberflächlicher Kenntnis neue Schatten über das Bild des Meister-
sängers zu ziehen. Die Anschauung, wie sie Gottsched sich und
seinen Zeitgenossen über Hans Sachs zurechtgelegt hatte, spielte
nicht so ganz in denselben Farben im Kreise seiner Anhänger und
völlig anders stand es im feindlichen Lager der Schweizer. Hatte
Gottsched wenigstens den Versuch gemacht, auf Sachkenninis ge-
stützt auch sachlich zu bleiben, so segelte gleich sein Schüler Johann
Joachim Schwabe nach bekannter Weise auf den Wellen des
Witzes in das 16. Jahrhundert hinein. Im Jahre 1740 hebt der ge-
nugsam bekannte Literaturstreit an. Ihm Nahrung zuzuführen, gab
die Journalistik ein förderndes Hilfsmittel ab. 1740 erschien das