Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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Hans Sachs der Beachtung nicht wert hielten, steht der Gelehrte 
Justus Georg Schottel. Mit redlichem Eifer hat sich Schottel in 
die Geschichte der deutschen Sprache vertieft. Seit 1642 Mitglied 
der Fruchtbringenden Gesellschaft und später (1646) auch des 
Pegnitzordens, fühlte er sich berufen, die deutsche Verskunst „in 
eine richtige Form“ zu bringen, und so erschien zu Anfang des 
Jahres 1645 in Wolfenbüttel seine „Teutsche Vers- oder Reim 
Kunst“ kurz vor der Zusammenkunft der Fruchtbringenden Gesell- 
schaft (12. Mai 1645), ein Ereignis, das bei den Fruchtbringenden, 
die neuerlich die Poetik regeln wollten, einige Mißstimmung hervor- 
rief, und doch ist seine Poetik das „beste Abbild“ ihrer Be- 
strebungen.! Auch Schottel fußt wie die Renaissance-Dichter auf 
Opitz, auch er macht die poetischen Spielereien seiner Zeit mit, 
die man nun einmal als eine notwendige Würze poetischer Dar- 
bietungen ansah, aber er hat doch einen etwas gründlicheren Blick 
in die geschichtliche Entwicklung des deutschen sprachlichen und 
literarischen Lebens getan und spürt in den literarischen Denk- 
mälern der Vergangenheit nach Stellen, die dem poetischen Em- 
pfinden seiner Zeit nicht widerstreben. Schottel ist meines Wissens 
der erste, der darauf hinweist, daß in der alten Poesie, die von der 
heutigen, richtigen weit entfernt sei, doch mitunter „recht untadel- 
hafte Reime mit untergelauffen seyn“. Er bringt Beispiele aus dem 
Heldenbuche, „Eck von Repkaw“, Theuerdank und Hans Sachs; die 
aus dem letzten angeführten Verse erscheinen ihm „nach Jam- 
bischer Art recht“. ? Schottel nimmt also, wie es fast durchgehends 
in jener Zeit geschah, nur auf das Formale Rücksicht. Der poeti- 
schen Form, so betont noch einige Jahrzehnte später Johann Peter 
Ludwig, habe man früher Pflege angedeihen lassen, als der 
(prosaischen) Redekunst,? sodaß selbst Hans Sachs trotz seiner 
rohen Kunst seinerzeit gerühmt werden konnte. 
1 Karl Borinski, Die Poetik der Renaissance. Berlin, 1886, 8. 153. 
2 Teutsche Vers- oder Reim Kunst, Franckfurtt an Mayn, 1656, S. 54 
bis 56. Die erste Auflage erschien 1645 in Wolfenbüttel. 
3 De idyllis satyrieis, praeside M. Joh. Petro Ludtwigio disputabit 
Joh. Martinus Reichelius, Wittenbergae (1691), Sp. 10: „Probabilius autem 
id esse; cum de egregio sui temporis poeta Johanne Saxone, sordidae artis 
homine, et ommnis doctrinae ignaro gloriari Germania possit, de insigni 
oratore a natura facto non possit“. Diese Äußerung sticht in ihrem Ton
	        
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