Volltext: Dürers Dresdener Altar

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hat, die subjektive Leistung ist uns interessanter als das objektiv 
Geleistete. Wenn ein späterer Virtuose in leichtem Spiel eine gleiche 
Schwierigkeit überwunden hat, z. B. die Verkürzung einer Decken- 
figur, so bewundern wir das vielleicht, aber ohne den inneren An- 
teil, den wir dem schweren Sieg des Primitiven schenken. Es ist 
yanz logisch, daß manche Primitive, die es sich bequemer machten, 
und die Arbeit der andern genossen, die so zu einer gewissen Ab- 
rundung kamen und früher sehr gefeiert wurden, daß diese gerade 
das feinere Empfinden heute weniger reizen, wenn nicht abstoßen. 
Von Späteren fesseln uns am meisten Künstler wie Michelangelo, 
Rembrandt, die stets mit größtem Verbrauch psychischer Energie 
arbeiten, die sich rastlos neue und immer feinere Probleme stellen. 
Solche Akzentuierungen in der alten Kunst erklären sich vielleicht 
aus der Energieentfaltung einer Zeit, in der mehr gekämpft und ge- 
arbeitet wird als seit lange. Sie mögen merkwürdig sein, aber nicht 
krankhaft, nicht einmal eine Modekrankheit — wenn man nicht an 
das oberflächliche Publikum denkt, das ohne ehrliches Verstehen 
mitbewundert, und natürlich gerade die Meister von geringerer 
persönlicher Energie. Für diese Kunstfreunde mag zutreffen, was 
Wölfflin (in der Einleitung zur »Klassischen Kunst«) sagt: »man 
will so gerne bewundern und lächeln zugleiche. Aber wer lacht bei 
van Eyck oder Masaccio? 
Also früher waren die Vier Apostel selbstverständlich das 
Meisterwerk Dürers. Freilich das italienischste seiner Werke, aber: 
klassisch. Bei einer wissenschaftlichen Interpretation ist es jedenfalls 
sehr lehrreich, die Prinzipien der klassischen italienischen Kunst hier 
aufzuweisen (umsomehr, als bisher die Verehrer des Meisters hierauf 
weniger geachtet haben, sie standen ja meist der klassischen Kunst 
fern) — aber wird auch die künstlerische Empfindung davon gepackt 
werden? Man kann vor diesen Bildern vielleicht stundenlang sitzen in 
angenehmer Konversation oder in Gedanken; aber wie lange kann 
man sich ihnen mit gesammelter Aufmerksamkeit hingeben? Cinque- 
centol Gewiß ist alles richtig, was etwa Thausing zum Preise 
dieser Bilder sagt, es wäre töricht, ihre/Großartigkeit zu bestreiten; 
ich will nur sagen, sie greifen uns nicht ans Herz: den Mann, der sie
	        
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