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diesem langwierigen Suchen mag Bertuch zuerst der Gedanke auf-
vestiegen sein, Hans Sachsens Werke zu erneuern, Aber zunächst
sollten ‘sich Mächtigere in den Dienst des alten Meistersängers
stellen, davon werden die ersten Spuren im Frühlinge des Jahres 1776
sichtbar. Zwei große Dichter erneuern das Bild Hans Sachsens und
ihnen gesellt sich fördernd ein einsichtiger Literaturfreund zu.
Wielands 1773 ins Leben gerufener „Teutscher Merkur“ verkündete
seiner Lesewelt den Ruhm Hans Sachsens. In dieser seiner Monats-
schrift unternahm es Wieland, eine Reihe bedeutender Männer des
L6. Jahrhunderts durch Wort und Bild aus einem unsicheren Halb-
Junkel heraus in helles Licht zu rücken. In einem Briefe an La-
vater vom 5. Februar 1776 bittet er diesen, Ulrich von Huttens
Bild zuerst machen zu lassen, da er es für den Februar brauche.
Hans Sachs könne erst im März erscheinen, „weil Göthe noch
etwas ‚über ihn in Hanssachsischer Reim-Weise dichten“ wolle.!
Bei der Gegenüberstellung der Bilder Huttens und Hans Sachsens
drängt sich Lavater ihre charakteristische Verschiedenheit auf: „Hutten
ist Fels, Sturmkraft, Thatfülle. Sachs Schulmeister. Jener Fresko,
Jieser Miniaturmahler“ (Brief an Wieland vom 13. Februar 1776).®
\m 4. März 1776 dankt Wieland Lavater für den Empfang der
‚beyden Platten Hutten und Hans Sachs“, indem er zugleich Lips das
ıuszeichnende Lob zuteil werden läßt, daß er „zum Physionomie-Hascher“
„gemacht“ sei.®? Mit welch schwärmerischer Begeisterung Wieland sich
in jenen Tagen dem Hans - Sachs - Kult in die Arme warf, zeigt
"olgende Äußerung in einem Briefe an Lavater vom 15. April 1776,
lie zugleich in richtiger Weise die Verkennung Hans Sachsens be-
zründet: „Haben Sie schon gewusst, dass Hans Sachs würklich und
wahrhaftig ein Dichter von der ersten Grösse ist? Ich weiss es erst
seit 6—8 Wochen. Wirbeugen uns alle vorseinem Genius,
Göthe, Lenz und ich. O die Teutschen, die stumpfen, kalten,
‚rägherzigen Teutschen! Die das erst vom T. Merkur werden lernen
1 Vyl. Ungedruckte Briefe Wielands an Lavater, mitgeteilt von Ludwig
Hirzel in Schnorrs Archiv für Literaturg. 4 (1875), S. 315, und jetzt „Goethe
und Lavater. Briefe und Tagebücher, hg. von H. Funck. Weimar, 1901“
Schriften der Goethe-Gesellschaft, 16), 8. 345.
. 2 Elf Briefe von Lavater an Wieland. Mitgeteilt von Heinr. Funck in
der Beilage zur Allgem. Zeitung, 1903, Nr. 47 (27. Febr.). S. 373.
3 Achnorrs Archiv 4. 8. 317.