It
Ie
r
—9
—
ꝑ
n
Einleitung.
9
waren sie vielmehr wohlgeeignet, dem Dichter die Freund—
schaft und Anerkennung des gleichgesinnten Melanchthon zu
gewinnen. So ist es begreiflich, daß der Dichter auch als
Sänger von Kirchenliedern sich bethätigt hat, ältere
Lieder für den Gottesdienst umgestaltete und neue hinzu—
fügte; allerdings stammt gerade dasjenige, welches noch
heute unter seinem Namen in den Gesangbüchern sich findet,
„Warum betrübst du dich, mein Herz?“, nicht von
ihm. Dem allgemeinen Schmerz über Luthers Hinscheiden giebt
er in dem „Epitaphium“ ergreifenden Ausdruck.
Ist so die Zeitgeschichte mit ihren Ereignissen auf
politischem und kirchlichem Gebiet eine wichtige Quelle für
die poetische Thätigkeit des Dichters, so in gleicher Weise
und noch mehr das menschliche Leben überhaupt mit all
seinen Geschehnissen in Freud und Leid, in Tugend und
Fehlern, Irrtum und Sünde.
War der Dichter als Patriot, Bürger und Vorkämpfer
in der reformatorischen Bewegung durch seine mit Holz⸗
schnitten verzierten Flugblätter gleichsam ein Publicist im
modernen Sinne, so ist er hier ein Prediger guter Sitte,
reinen Wandels und zugleich der erlaubten Lebensfreude.
Seine Dichtung, immer rein, doch nach dem Charakter der
Zeit nicht selten derb, lehrt Tugend und Gottesfurcht mit
schalkhaft lächelndem Munde, indes fehlt neben dem Scherz
niemals der sittliche Ernst. So kann der Dichter fröhliche
Liebeslieder singen und seine Kunst preisen, vornehmlich
aber will er in Fabel, Spruch und Schwank sittliche Ge—
brechen kennzeichnen und zur Besserung auffordern. Die
Beispiele, die er zur Belehrung dichterisch gestaltet, nimmt
er, wo er sie findet, und macht sie sich zu eigen; staunens—
wert ist hier die Belesenheit des Dichters, er schöpft aus
dem alten und neuen Testament, den Dichtern des Alter—⸗
tums, italienischen und französischen Dichtern und Schrift—
stellern, deutschen Schwänken, Volksbüchern und mündlichen
en Alle Stoffe erhalten das Gepräge seines
milden, schalkhaften Geistes, und seine unerschöpfliche Kunst