Full text: Offizieller Bericht über die Verhandlungen des Kunsthistorischen Kongresses zu Nürnberg

rm 
= 
bi 
ns ft 
Yen 
Ar 
RR 
AU 
AUF 
"Ne 
{1 
1848 
4: 
UN 
N 
pr 
Die beste Photographie kann ein plastisches oder architektonisches Kunstwerk 
für die Anschauung ebenso wenig ersetzen, wie sie dies in Bezug auf ein Gemälde 
zu thun vermag. Wie sie uns — bis jetzt wenigstens — von den Gemälden die 
Farbe vorenthält, so gibt sie uns von einem körperlichen, dreidimensionalen Gegen- 
stand bloss ein zweidimensionales Bild, in welchem die Seitenflächen verkürzt und 
verdeckt, die vorragenden Teile und Extremitäten häufig auch unrichtig verjüngt 
der vergrössert erscheinen. Zumal für Gruppen ist die Photographie ein völlig 
ıngenügender Ersatz, abgesehen davon, dass sie auch die Detailstudien, selbst bei 
zrossem Format, nie so genau gestattet wie der Gypsabguss, der vor allem auch die 
Zuhilfenahme der tastenden Hand gestattet. 
Die Vertreter der Archäologie an den Universitäten haben die Unent- 
oehrlichkeit von Gypsabgüssen für einen streng wissenschaftlichen, ebenso 
anschaulichen wie eindringlichen Unterricht in der Geschichte der antiken Plastik 
schon längst erkannt und auch durchwegs schon vermocht, die Regierungen von der 
Notwendigkeit von Gypssammlungen für den archäologischen Unter- 
richt an den Universitäten zu überzeugen. Die grossartige Sammlung von 
Gypsabgüssen antiker Skulpturen im Berliner Museum, zu welcher der kunstsinnige König 
Friedrich Wilhelm IV. den Plan fasste, dürfte der Anstoss und das Vorbild für alle 
ähnlichen Sammlungen gewesen sein, welche seither an fast sämtlichen Universitäten 
Deutschlands und Österreichs, zum Teil in recht ansehnlichem Umfang, angelegt 
worden sind. 
Die Kunstgeschichte, sowohl in ihrer Eigenschaft als Universalhistorie 
des Kunstschaffens alter und neuer Zeit, als auch auf ihrem besonderen Gebiete der 
nachklassischen Kunst, ist zwar als selbständige und methodisch betriebene Wissen- 
schaft nur eine jüngere Schwester der Archäologie, neben der sie, besonders auch 
an den Universitäten, nur spät und langsam Fuss fassen konnte; allein wer wollte 
heute noch daran zweifeln, dass uns und dem allgemeinen Volksbewusstsein, ganz 
abgesehen von Fachinteressen, die Kunst des Mittelalters und der neueren Epochen, 
vor allem der herrlichen Renaissance, aus mancherlei Rücksichten, sei es kultur- 
historischer, religionsgeschichtlicher oder künstlerischer Art, mindestens ebenso 
nahe stehen wie die — wenn auch unerreichten — Werke der Antike? Und 
in demselben Maße, wie die Archäologie in Bezug auf antike Kunst, hat es sich 
die Kunstgeschichte zur Aufgabe gestellt, den Schatz des Wissens über das 
Kunstschaffen unserer reichen abendländischen Civilisation, 
von ihren Anfängen an bis auf den heutigen Tag, gewissenhaft zu vermehren und 
sein Verständnis durch Wort und Schrift zu vertiefen und zu erweitern, auf dass 
die moderne Menschheit mehr und mehr sich auch der herrlichen Werke ihrer 
Vorfahren erfreuen lerne und dieselben ehrfürchtig und eifersüchtig hüte und beschütze! 
Findet nun aber der kunsthistorische Unterricht an den Universitäten für die 
Betrachtung der zum Teil hochbedeutenden Werke mittelalterlicher und neuerer 
Plastik eine analoge Förderung durch Gypssammlungen, wie sie für die archäologischen 
Lehrstühle durchwegs vorhanden sind? Diese Frage ist für weitaus die meisten 
7älle leider mit einem entschiedenen Nein zu beantworten. 
Die einzige Universität Deutschlands, an welcher dem kunsthistorischen Unterricht 
ein reicheres Material von Gypsabgüssen. nach plastischen Werken des Mittelalters 
und der neueren Zeit leicht zugänglich ist, dürfte diejenige von Berlin sein, welcher 
die k. Museen auch in dieser Beziehung wertvollen Stoff zur Verfügung stellen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.