— 12
Erinnerungen schwelgend, behaglich bemerkte — saß ein
unbändig langer und dürrer, noch sehr junger Artillerie—
Cadet-Corporal, unser guter Vetter Karl, Kommandant
der gesammten Festungs-Artillerie (2 Sechspfünder und
12 Kanoniere) — und ließ sich's bei einem frischen Glas
Milch und Butterbrod wohl schmecken. Neben ihm ruhte
sich ein sehr bestaubter, bescheidener, erhitzter, gutmüthiger,
schüchterner, etwas unbehilflicher Stadtherr aus, dem man
den fleißigen, gewissenhaften Kupferstecher und Zeichner von
Beruf kaum ansah; Schirm, Stock, Hut und große aufgebauschte
Mappe von Pappe lagen im Gras, mächtig begackert vom neu—
gierigen Hühnervolk und vorsichtig beschnuppert von Schiffers
Spitz — einem der selteneren ächten Schäferhunde —, den nur
ein kräftiger Pfiff seines umsichtigen Herrn von noch Aergerem,
Unheilvollerem abhielt. Der Künstler war des Kommandanten
Einladung, ein paar Wochen auf der Festung zu bleiben und
deren An- und Umsichten mit Stift und Griffel zu verewigen,
gern gefolgt und lauschte andächtig den vorläufigen orts—
kundigen Schilderungen des freundlichen Kadetten.
*
*
8
Ja, der Rothenberg; damals, vor sechzig Jahren, sah er
freilich erfurchtsgebietender aus mit seinen ziegelbedachten
Gebäuden, dem Kirchthürmlein, den wohlgepflegten Bastionen
mit runden massiven Eck-Auslugern unter Kupferdach und
— was so herrlich war — ringsum Busch und Wald und
Schlucht und Fels, aus denen in schroffen, scharfen Linien
die gewaltigen Mauern mit dem furchtgebietenden Gürtel
gähnender Kanonenluken ragen.
Wir betreten den Festungshof, von hohen Gebäuden
eingefaßt, und zwar, vom Thor aus gesehen, zur Linken,
alles solid, derb und zweistöckig, das Haus Nr. 5 mit
Artilleriekaserne, Marketenderei, der Schanzerkaserne im
Erdgeschosse, dem Ouartier der sogenannten Staatsgefangenen
und dem Auditoriat. Ganz rückwärts, im Eck eingezwickt,
führt ein schmal Thürlein nach Nummer Sicher, nicht sehr
beliebt bei solchen, deren Brustfleck nicht sauber. Daneben
hauste der Herr Profoß, der in so vielen Nebenstunden auch