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Oheims zu überbringen, das die Bitte enthielt, sich vertrauensvoll in die
Behandlung der Ärzte zu begeben. Allein diese Herren verweilten mehrere
Tage in dem Schlosse, ohne von dem Könige vorgelassen zu werden. Erst
in der Nacht des 12. Juni gelang es dem Dr. von Gudden, als der
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turm zu ersteigen, ihn zur Abreise nach Schloß Berg am Starnberger
See zu bewegen. Dort sollte ihm die rücksichtsvollste Pflege zu Teil
werden. Allein von einem Spaziergange, den er am Abend des Pfingst-
sonntags, am 183. Juni, mit Dr. von Gudden unternahm, kehrte keiner
von ihnen zurück. Nach längerem Suchen entdeckte man am Ufer Hut
und Stock des Königs und einige Zeit nachher die beiden entseelten Körper
in den Wellen des Sees. Was zwischen den beiden Männern vorgegangen
war, vermag kein Mensch zu sagen. Tiefbetrübten Herzens gab Prinz
Luitpold am 19. Juni dem geliebten Neffen das Geleite zu seiner Ruhe—
stätte in der Michaelshofkirche. Nachdem die inzwischen einberufenen beiden
Kammern des bayerischen Landtages die gesetzliche und thatsächliche Not—
wendigkeit einer Regentschaft einstimmig anerkannt hatten, leistete er am
28. Juni im großen Throusaal der königlichen Residenz vor einer glänzenden
Versammlung des Hofes, der Minister und Abgeordneten sowie vieler
Staatsbeamten und Offiziere den Eid auf die Verfassung. Den Landtag
aber schloß er am 1. Juli mit einer Rede, in der er die Hoffnung aus⸗
sprach, daß mit Gottes Hilfe unter seiner Regentschaft dem bayerischen
Staate in dem festen Verbande mit dem deutschen Reiche Zeiten des
Glückes und des Segens beschieden sein würden. Und die Zukunft brachte
dieser Hoffnung die schönste Erfüllung.
Auf dem Rönigsthron.
(1886.
IV
Es ist die beglückendste Empfindung, die Liebe zum
Holke durch die Liebe des Volkes erwidert zu sehen.
Orinzregent Luitpold.
) König Ludwig J. vor vielen Jahren vorahnend ins
Auge gefaßt hatte, daß nämlich die Vorsehung dereinst
auch seinen dritten Sohn Luitpold auf den Thron be—
rufen könnte, das war nun wirklich in Erfüllung ge—
gangen. Prinz Luitpold, der bisher keinen höheren Ehrgeiz gekannt hatte,
als den, seinem König und seinem Lande als erster Soldat im Heere zu
dienen, sah sich bei der Krankheit des nunmehrigen Königs, Ottos J.,
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