Volltext: Kaiser Wilhelm der Erste

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bewilligen würde. Und diese Hoffnung täuschte ihn nicht. Der 
neue Reichstag, der am 7. März zusammentrat, bewilligte mit 
großer Mehrheit die gewünschte Heeresverstärkung. 
Dies war das schönste Geschenk, welches das deutsche Volk 
dem greisen Herrscher zum 90. Geburtstage, den er am 22. März 
beging, darbringen konnte. Seine hohe Befriedigung über den 
zustimmenden Beschluß des Reichstages gab er in dem Worte zu 
erkennen, daß er sich dadurch um zwanzig Jahre verjüngt fühle. 
Nicht weniger als 85 fürstliche Persönlichkeiten aus allen Teilen 
von Deutschland und Europa waren nach Berlin geeilt, um dem 
ehrwürdigen Jubilar ihre Glückwünsche darzubringen; auch der 
Papst und die französische Republik hatten Vertreter entsandt, 
um dem allverehrten Kaiser ihre Verehrung zu bezeugen. In 
ganz Deutschland aber und überall auf der weiten Erde, wo 
Deutsche wohnten, wurde der Ehrentag des geliebten Kaisers 
festlich begangen, und von allen Seiten kamen unzählige Beweise 
dankbarer und liebender Verehrung. Das Fest wurde dem Jubel— 
greise noch dadurch verschönt, daß er bei der Entgegennahme der 
Glückwünsche den Versammelten die Verlobung seines zweiten 
Enkelsohnes, des Prinzen Heinrich, mit der Prinzessin Irene von 
Hessen verkündigen konnte. 
Es war der letzte Geburtstag, den zu feiern dem Kaiser 
beschieden war. Aber den Beschwerden des Alters trotzte noch 
immer sein starker Wille und sein lebendiges Pflichtgefühl. So 
ließ er es sich nicht nehmen, bei dem feierlichen Beginn eines 
großen Friedenswerkes, dessen Vollendung er nicht mehr erleben 
sollte, persönlich anwesend zu sein. Es galt die Herstellung eines 
schiffbaren Kanals, der, von Holtenau an der Kieler Bucht bis 
Brunsbüttel an der Elbemündung laufend, den Schiffen einen kurzen 
und zugleich sicheren Weg zwischen Nord- und Ostsee eröffnete. 
Am 3. Juni 1887 that er bei der Grundsteinlegung in Holtenau die 
ersten Hammerschläge mit den Worten: „Zur Ehre Deutschlands, 
seinem fortschreitenden Wohle, seiner Macht, seiner Stärke!“ 
Bei der Rückkehr nach Kiel besichtigte er an Bord der 
„Pommerania“ eine im Kieler Hafen ankernde Flottenabteilung, 
wobei er sich trotz des ungünstigen Wetters nicht bewegen ließ, 
in die Kajüte hinabzugehen. Allein den Unbilden der Witterung
	        
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