Volltext: Kaiser Wilhelm der Erste

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zwischen den „Großdeutschen“, welchen die Ausschließung der 
deutschen Brüder in Osterreich als ein Verrat am deutschen Volke 
erschien, und den „Kleindeutschen“, welche behaupteten, daß nur 
bei dem Ausscheiden sterreichs mit seiner zum großen Teile 
nichtdeutschen Bevölkerung die Gründung eines festgefügten 
deutschen Bundesstaates möglich sei. Noch bei dem ersten deutschen 
Sängerfest, das im Jahre 1861 in Nürnberg einen erhebenden 
Verlauf genommen hatte, waren die Österreicher von der Bevöl— 
kerung der Stadt wie von den Sängern aus ganz Deutschland 
in besonderer Weise ausgezeichnet und gefeiert worden. Und so 
herrschte denn auch in ganz Süddeutschland im Jahre 1866 eine 
für sterreich günstige gegen Preußen und namentlich gegen 
Bismarck eine überaus feindselige Stimmung. 
Diese Stimmung waltete auch beim Bundestag in Frank— 
furt vor, als sterreich bei demselben den Antrag auf Mobil— 
machung des Bundesheeres gegen Preußen beantragte. Am 
14. Juni stimmte die Mehrheit für diesen Antrag. Preußen 
aber erklärte an dem gleichen Tage seinen Austritt aus dem 
Bunde, und damit war der endgültige Bruch zwischen Preußen 
und Osterreich gegeben. Die Waffen mußten entscheiden; der 
Bruderkrieg zwischen Deutschen und Deutschen war da. 
Nur ungern entschloß sich König Wilhelm dazu, gegen 
sterreich, seinen bisherigen Verbündeten, das Schwert zu ziehen. 
Aber die Umstände ließen ihm keine Wahl. Als sich sein Neffe, 
Prinz Friedrich Karl, am 25. Mai vor seiner Abreise zum 
Heere bei ihm meldete, sprach er tiefbewegt: „Ich bin ein alter 
Mann und bald 70 Jahre, wie soll ich jetzt noch an Krieg 
denken? Ich will nichts mehr, als meinem Volke den Frieden 
lässen, wenn ich sterbe. Ich weiß ja auch, daß ich's vor Gott 
und meinem Gewissen verantworten muß. Aber ich kann vor 
Gott bezeugen, ich habe alles gethan, gebeten habe ich den 
Kaiser, gebeten, wie man nur bitten kann: ich will ja zugestehen, 
was ich irgend mit der Ehre Preußens vereinen kann. Aber sie 
wollen den Krieg, sie wollen es so wieder haben, wie es vor 
dem siebenjährigen Kriege war, und das geht nicht, dann wäre 
ja Preußen nichts mehr.“ Und zuletzt fügte er die Worte hinzu: 
„Gottlob, das Heer ist in sehr gutem Stande, aber ob wir
	        
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