Full text: Festpredigt am 22. März dem neunzigsten Geburtstage des deutschen Kaisers Wilhelm I.

Und ihm nach auch sein Volk! Wollte Gott, daß wir mit 
Freudigkeit auch so ausrufen könnten: Ich will den heilsamen Kelch 
nehmen! Den dargebotenen Kelch der Trübsal, der Entbehrung, der 
Entsagung, des Verlustes, den Kelch der Sorge, Mühe und Plage hin— 
nehmen in Gottergebung, in Glaubensfreudigkeit, in Sanftmut und 
Heduld, ist das wirklich des gesammten deutschen Volkes christliche Art? 
— Ich will des Herrn Namen predigen! Ein allezeit freudiges, mutiges, 
hristliches Bekenntnis ablegen, einem Petrus gleich: Herr, wohin sollen 
wir gehen, Du hast Worte des ewigen Lebens! ein Bekenntnis ablegen 
in der Teilnahme am Gottesdienste, im fleißigen Gebrauch des gött— 
lichen Wortes und der heiligen Sakramente, ist das unseres deutschen 
Volkes Stärke? — Ich will dem Herrn meine Gelübde bezaählen! 
Treu gewissenhafte Pflichterfüllung, ein jeder in seinem Stand und 
Beruf, darein er von Gott gestellt ist, ist das unseres Volkes Ruhm? 
In dem Herrn geliebte Festgemeinde! Wo ein Jubiläum gefeiert 
wird, da pflegen alle, die dem Jubilar nahe stehen, ihn durch sinnige 
Geschenke, durch freundliche Gaben zu erfreuen. Ich wüßte auf Grund 
unseres Gotteswortes herrliche Geschenke, die unser deutsches Volk heute 
seinem Gott und Herrn, der ihm diesen Tag geschenkt hat, und damit 
auch unserem Kaiser niederlegen koͤsinte vor seinen Thron. Diese Ge— 
schenke würden demütig⸗ergebene bekenntnis⸗freudige und pflichtgetreue 
Herzen sein! 
Wohlan denn, du liebes deutsches Volk! Sieh, heute steht dein 
neunzigjähriger Kaiser vor dir, ein Fürst von Gottes Gnaden im 
schönsten, vollsten Sinne des Wortes. Die silberweißen Haare, die er 
mit Ehren trägt, und die unter der Last treuester und fleißigster 
Regierungsarbeit gefurchten Züge, die ganze greise, ehrwürdige, majestä— 
tische Gestalt fleht dich an, stimmet mit ein in den Dankpsalm von 
herzensgrund: Wie soll ich dem Herrn vergelten alle Wohlthat, die er 
an mir thut? — und reicht alle die Hände zum Bunde: 
Ich will den heilsamen Kelch trinken, — 
Ich will den Namen des Herrn predigen, — 
Ich will dem Herrn meine Gelübde bezahlen, — 
Ein demütig-ergebenes, ein bekenntnis-freudiges, ein treu— 
gewissenhaftes Volk wollen wir sein! 
Dazu segne der Gotk aller Gnade dieses Jubelfest unserem Kaiser 
zur Freude, und unserem Volke zum Heile! Amen. 
— —— D 
—8— * IJ 
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