Volltext: Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit

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Auf dem kleinen Blatte der Schongauerschen Passion findet sich dieses 
Motiv nicht. Hier wird Christus, mit der Linken das Kreuz 
haltend und mit der Rechten der Veronika das Tuch reichend, mehr 
vorwärts gezogen, und auf dem Gemälde desselben Meisters im Mu— 
seum zu Colmar wird er vorwärts gestoßen. Es soll nicht behauptet 
werden, daß Krafft das Motiv des Sinkens zuerst angewendet habe, 
aber vor Dürer hat er es jedenfalls am besten gegeben. Auf der 
Kreuztragung am Altar der heiligen Kreuzkapelle zu Nürnberg), die 
aus der Werkstatt Wolgemuts hervorging, kommt es auch vor. Mag 
diese früher als die Stationen sein, oder mag es umgekehrt sein, 
sicherlich haben auf Dürer die Stationen am mächtigsten gewirkt. 
Auf der ersten Station stolpert Christus über einen Stein und 
kommt dadurch zum Fallen, auf der zweiten sinkt er eben unter seiner 
Last, berührt aber noch nicht mit dem Knie die Erde, auf der dritten 
ist er auf die Kniee gesunken. Dürer wählte auf seinem großen Holz— 
schnittbilde den Moment, wo Christus, das Haupt zur Veronika wendend, 
eben sinkt und mit der linken Hand sich auf einen Stein stützt, um 
nicht unter der Last des Kreuzes, das er mit dem rechten Arm um— 
schlungen hält, hinzuschlagen. Veronika will ihm das Tuch reichen. 
Bei Krafft kommt Veronika erst auf der vierten Station vor, und Christus 
kniet hier nicht mehr. Man sieht also, daß verschiedene Krafftsche Motive 
auf Dürers Blatt vereinigt sind. Daneben übernahm Dürer aus 
der dritten Station den schmerzhaften und doch unendlich sanften, Trost 
zusprechenden und liebevoll teilnehmenden Blick Christi, mit dem er sich 
zu den Frauen wendet. Jedoch man mißverstehe mich nicht: Dürer 
schuf die in seinem Geiste empfangenen Eindrücke um und legte von 
seinem eigenen Empfinden etwas in Christus hinein. Aber in dem 
Empfinden sind beide Meister so unendlich nahe verwandt! Bei beiden 
kommt es auf die seelischen Vorgänge im Menschen an. Die Gestalten 
zog Dürer möglichst in den Vordergrund und verwendete für die um— 
gebende Wirklichkeit deutsche Architektur, nicht etwa fremde Scenerieen, 
die uns nach dem Orte, wo die Seene vor sich ging, hinübertäuschen 
ollen. 
Die Kreuztragung der „grünen Passion“ ist eine Wiederholung, 
nur ist sie weiter gebildet, und erscheint alles bewegter. Dasselbe Ge⸗ 
dränge aus dem engen Stadtthore; die Teilnahme Christi für die um 
ihn klagenden Frauen, das rohe Treiben der Landsknechte, dies alles 
) Es ist möglich, daß Dürer an diesem Gemälde geholfen hatte.
	        
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