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Elftes Kapitel.
Alters die Ehre geworden war, in den Rat der Stadt gewählt
zu werden. Zu Albrecht Dürer war er wieder in das alte
Verhältnis getreten, ja er war ihm noch vertrauter geworden,
so daß die alte Rede von Kastor und Pollux wieder auftauchte
zur Bezeichnung des innigen Herzensbündnisses, welches die beiden
mit einander hatten. —
Drei Tage später sollte dem Meister Wolgemut schon Ge—
legenheit werden, den Aufriß des Gemäldes zu sehen, und er
war voller Erstaunen ob der Geschwindigkeit, mit welcher die
einzelnen Gestalten unter der Hand des Meisters wuchsen.
Die beiden Gesellen durften ihm hierbei nicht helfen, ganz
allein wollte er das Werk vollenden, so umfangreich es auch
war. Und der Meister arbeitete daran mit wahrer Herzenslust.
Kaum graute der Tag, so saß er schon vor der Staffelei und
wich davon nur, wenn ihn Frau Agnes zur Mahlzeit rief. Es
lebte in ihm ein mächtiger Drang, das Riesengemälde erst voll—
endet zu sehen.
Bereits nach sechs Wochen war der letzte Pinselstrich ge—
than, und eine fröhliche Tischgemeinschaft feierte am Abend
darauf bei edlem Malvasier die gethane Arbeit, in deren Lob—
preis einer den andern überbot.
Es war ein dreiflügeliges Bild geworden, mit Leimfarben
unmittelbar auf die Leinwand gemalt. Auf dem Mittelfeld
neigt sich die Madonna, deren schlanken Leib ein lichtblaues
Gewand umfließt und ein weißer Schleier halb verhüllt, an—
betend über dem Christkindlein, welches schlummernd vor ihr
auf einem Kissen liegt und dem ein Engel mit einem Wedel
Kühlung zufächelt. In der Luft über Mariens Haupte schweben
zwei Engel und halten eine goldene, mit Perlen übersäte Krone,
während zwei weitere Engel mit der Säuberung des Gemachs
beschäftigt sind, in welchem die heilige Jungfrau sich befindet.