vVorwort.
und Gallenstein ein eigensinniger, empfindlicher, mürrischer Greis
zeworden, welcher, der Welt entfremdet, nur noch eine Leidenschaft
hatte, die Sammelwut. Nun hatte Dürer zwei prachtvolle Hirsch—
zeweihe, Geschenke des Kurfürsten Sriedrich von Sachsen hinter—
lassen. Auf deren Besitz ging Pirkheimers Begierde, und nun
ergoß er über die Witwe Dürers die ganze Galle seines Sornes, als
diese die Prachtstücke anderweitig veräußerte. In Pirkheimers
Augen war das ein Verbrechen, schwer genug, um Über die
unschuldige Srau in einem Brief an einen Sreund seinem Herzen
in den schändlichsten Verleumdungen Luft zu machen.
Und daß es Verleumdungen waren, sieht man aus dem
anderweitigen Briefinhalt. Srau Agnes ist es nicht allein, über
welche Pirkheimer herzieht: auch ein Mann wie Lazarus Spengler,
jener leuchtende Stern in der Geschichte der Reformation, erscheint
hier in einem Licht, daß ihm alle Achtung entzogen werden müßte.
Penn es nun aber niemandem einfällt, die Geschichte der Refor—
mation nach jenem Briefe Pirkheimers zu korrigieren und sich das
Bild des edlen Mannes nach diesen Außerungen zu zeichnen, mit
welchem Recht will man den Gallenerguß eines grämlichen, ver—
bitterten Greises als Geschichtsquelle benutzen, um danach das Bild
einer Srau zu verzerren, vor deren Achtbarkeit und häuslichen CTugend
ein ganzes Jahrhundert den Hut gezogen hatte? Aber es ist die
Art des Klatsches, daß er zäh ist wie Leder und unverfroren weiter
plaudert, wenn er auch zehnmal an den Pranger gestellt worden ist.
slach dem jedoch, was Chausing, der beste Dürerkenner, in seinem
Werk über den Meister ausgeführt hat, wird wohl endlich der
Wahrheit eine Gasse gebrochen sein und der Schmutz von dem Bilde
einer edlen, hochachtbaren Srau und Gattin schwinden.
Halle a. s8., im Advent 1891.
Armin Stein.