Der Prediger in der Wüste.
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es jetzt ein: mit beißendem Spott und bitterm Hohn ist's hier
nicht gethan; aus Euch redet der heilige Ernst des religiösen
Gemüts, und so ist's recht! Das Herz muß sprechen, das Herz,
welches über die Not der Zeit in Thränen schwimmt, und diese
Predigt wird dann auch den Weg zu den Herzen finden. Ja,
redet, lieber Dürer, und das Volk wird Euch hören!“
Dem Meister that die Anerkennung und der Zuspruch des
Freundes wohl, und mit erhöhter Zuversicht ging er nun in der
Folge an eine nochmalige sorgfältige Durchsicht seiner Bilder.
Ein Jahr verstrich noch, ehe der Prophet vor die Welt
hintrat: die Bilder mußten ja erst in Holz geschnitten und dann
gedruckt werden. Da aber ging Pirkheimers Vorhersagung in
Erfüllung: Dürers Bilder zur Offenbarung St. Johannis mach—
ten allenthalben einen großen Rumor und übten eine außer—
ordentliche Wirkung. Die Künstlerwelt sah mit Erstaunen, wie
auch auf diesem Gebiet der Meister Dürer etwas ganz Neues
geschaffen habe und unvergleichlich dastehe. Aber das nicht allein:
alle Welt verstand die Predigt, die diese stillen Bilder hielten,
und alles riß sich um sie. Nicht bloß die Reichen kauften sie,
auch der arme Mann griff in den Beutel, und der Aufwand
reuete ihn nicht. Mit schrägen, finstern Augen freilich sah der
Klerus und das Klostervolk zu. Die Herren fühlten den Stich,
den ihnen Meister Dürer gegeben, aber der allgemeinen Begei—
sterung gegenüber ward ihr Lästern still, und ihr Ingrimm
wagte sich nur Luft zu machen in verstohlenem Zähneknirschen.