168 B. Besonderer Teil. 1. Verbrechen wider den Rechtsfrieden.
Auch die Zigeuner — deren Name später der Sammelbegriff
für alle Sorten von Gaunern wird — beehren das Landgebiet
frühzeitig mit ihrem Besuch. Sie erfahren anfangs durchaus
rücksichtsvolle Behandlung, wenn auch die bald notorischen erb-
lichen Diebsgelüste einen allzu freundschaftlichen Verkehr mit
diesen Söhnen Ägyptens nicht rätlich erscheinen lassen. So
schreibt 1549 der Rat dem Pfleger von Heydeck: „das die Zy-
geuner daselbst bey Ime ankumen die soll er mit guten worten
weck weysen und nichts tetliches gegen Inen fürnemen noch
etwas diser zeit gegen Inen handlen, sonder allein warnung thun
sich fürderlich da weck zu thun“. Das Jahr darauf gebietet er,
dieselben „da sie Irn vnderschlaiff abermals vmb wendelstain
suchen, gütlich oder mit der that des ernsts weck zu weisen“.
In die Stadt selbst — wie dies in Frankfurt der Fall — erreichen
sie wohl nie Zulafs.°)
Der eigentliche Vernichtungskrieg gegen die Gauner beginnt
von Seiten des Kreises erst zu Beginn des 18, Jahrhunderts. Nach
verschiednen Tagungen und Mandaten erläfst man das rigorose
Patent von 1710 „wider die Zigeuner und anderes umherstreunendes
vagirendes loses Gesindlein.“°) Da die bisherigen Strafen, heilst
es, sich als zwecklos erwiesen und an vielen Orten Zigeuner und
andre verleumdete Vaganten, welche sich von Jugend auf dem
lastervollen Müssiggang, dem Betteln, Rauben, Morden, Stehlen
ergeben, festgenommen wurden, haben sich Fürsten und Stände
des Kreises veranlalst gefunden, zur gänzlichen Ausrottung solcher
liederlicher, gefährlicher und unnützer Zigeuner die Extreme zu
ergreifen. Alle, welche sich nach Neujahr unter Kenntnis des
Patents im Gebiet betreten lassen, sollen an den nächsten deshalb
an den Strafsen errichteten Galgen gehängt, solche. die sieh mit
Verweisung, Mfzb. 1689, 1690; die Thore besetzen der fremden Bettler wegen,
Rp. 15388, 12, 5; Kriegsherrn, nach argwöhn, Bettlern aufzugreifen, Rtb. VI,
[82, 1495 StA.; PO. 1548; über die treffl. Anstalten für einheim. Bettler s.
insbes. Waldau, Verm. Beitr, 4, 178 (Mendel Stiftung, 1888). 328 (älteste
Bettlerordn. v. ca. 1388), 418, 498, PO. 316.
©) Rtb. XXV, I, 1549; 205, 1550; 1599 lagerten sehr viele Zigeuner
beim Schlosse Hohenstein, so /dafs der Rat vierzig Reifsige hinaus sandte,
um sie fort zu jagen, da sie die Bauern auf jede Weise betrogen. Einige
kamen ins Lochgef, und w. gestr., Soden, 1, 39: s. a. H. Sachs. Keller 1X.
20, XIV, 82.
61 Akt, die Abtreibung des losen Gesinds betr., 1723, S 1, L 569. Nr. 40.