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die Objekte beschädigt: das Zimmer restauriert, das Buch und die
Pfeiler neu. Welch ein Glück, daß uns die Figuren so gut er-
halten sind!
Der Charakter der Formen ist durch die mantegneske Art be-
stimmt, wie das ja auch in Dürers frühen Holzschnitten, namentlich
der Apokalypse hervortritt. Man sieht diesen Einfluß hier besonders
deutlich in dem höchst interessanten Kopfe des schlafenden Kindes,
auch in dem Habitus der kleinen Engel, hauptsächlich aber in all-
gemeinen Zügen: in dem Aufsuchen der Verkürzungen, in der Kraft
und Präzision der Modellierung. Man vergleiche den besten frühen
Cranach, der doch gewiß sehr formkräftig ist: weich, unplastisch
erscheint er daneben.
Der Künstler will aber nicht einfach den fremden Meister nach-
ahmen, er folgt ihm nur im Prinzip der plastischen Durchführung,
wahrt sich aber seine Selbständigkeit im einzelnen: der Madonnen-
typus, die Hände mit dem eigentümlich geformten Handrücken, die
Gewandbehandlung sind in seinem nordischen Geschmack.
Wie hat sich der flotte, leichtsinnige Zeichner verändert, der
so mühelos hätte verdienen können! wie bequem hätte er hier die
Schaulust des Philisters durch ein paar rasch entworfene reiche
Details befriedigen können, alles im gewohnten Geleise. Das will
er aber nicht, er stellt an sich selbst die höchsten Ansprüche bei
dieser ersten, ehrenvollen Bestellung: ein Künstler will er sein,
wie die »Welschen«, kein Handwerker, er will nicht einen braven
Nürnberger Altar liefern, sondern etwas viel Feineres, das selbst die
hochentwickelten italienischen Künstler beachten, als etwas für
Deutschland ungewöhnliches anerkennen müßten. Und sollte selbst
der hohe Besteller, der vornehmste Fürst im Reiche, der wohl ein-
mal römischer Kaiser werden könnte, sollte der auch nicht alles
verstehen, was da drin steckt, nun, er selbst versteht es.
2. Die Flügel.
Die Flügel sind etwa 1508—1515 anzusetzen. Der Mangel‘ an
Werken derselben Technik verbietet auch hier eine schärfere Datie-
rung. Daß die Flügel ursprünglich mit geplant waren, möchte