Gesundheitswes en.
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IX. Gesundheitswesen.
1. Städtisches Gesundheitsamt.
Allgemeines. Im Berichtsjahre erlitt das Gesundheitsamt einen schmerzlichen Verlust
durch das Ableben seines ärztlichen Leiters und verdienstvollen Vorsitzenden des Gesundheits—
rates, Herrn 1. Bezirksarzt Obermedizinalrat Dr. Sigmund Merkel. Vom Ministerium wurde
an seiner Stelle Obermedizinalrat Dr. Kaspar zum 1. Bezirksarzt ernannt und vom Stadtrat
Nürnberg zum Vorsitzenden des Gesundheitsrates bestellt.
J Durch die Ende 1923 erfolgte Verstaatlichung der Polizei und die dadurch bedingten
AÄnderungen in der Einteilung der städtischen Amtsstellen wurde der Geschäftsstelle des
Gesundheitsamtes eine Reihe neuer Aufgaben zu ihrem bisherigen Wirkungskreis zugeteilt,
die seither von anderen Geschäftsabteilungen behandelt wurden, so insbesondere das Impf—
wesen, das Geisteskrankenwesen, die Fürsorge für Trinker, blöde Epileptiker, Krüppel, Taub—
stumme und Blinde, die Angelegenheiten der Nahrungsmittelpolizei, soweit nicht die städtische
Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genußmittel zuständig ist, und das Medizinalwesen.
Gemeingefährliche Krankheiten. Solche traten nicht auf.
übertragbare und ansteckende Krankheiten. Es war nachstehende Anzahl von
Fällen zu verzeichnen: Übertragbare Augeneiterung bei Neugebornen 2, Diphtherie 205,
Genickstarre 9, Kindbettfieber 45, Kinderlähmung 8, Krätze 310, Scharlach 246, Ruhr 96,
Typhus 16, Paratyphus 6, Wurstvergiftung 1, offene Lungen- und Kehlkopftuberkulose 349.
In allen Fällen wurden unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung der
Weiterverbreitung der Krankheit im Benehmen mit dem Bezirksarzte getroffen.
In 31 Fällen sind in Kindergärten, Krippen und ähnlichen Anstalten ansteckende
Erkankungen, insbesondere Masern und Keuchhusten in gehäufter Form aufgetreten; in 22
Fällen handelte es sich um Einzelerkrankungen an Diphtherie, Scharlach und Ruhr.
Verletzungen von Personen durch Hunde- oder Katzenbiß wurden insgesamt 238 gemeldet.
Die Untersuchung der in Frage kommenden Tiere ergab in 27 Fällen das Vorliegen von
Tollwut bezw. Tollwutverdacht. Von diesen 27 Fällen wurden auf. bezirksärztliche
Anordnung in 20 Fällen die Wutschutzbehandlung verfügt, die in 11 Fällen im Robert
Kochschen Institut in Berlin, in 9 Fällen in der am 1. November 1923 errichteten Wutschutz⸗
stelle im Städtischen Krankenhaus Nürnberg durchgeführt wurde. Eine Tollwuterkrankung
eines Menschen kam nicht vor. J
Ferner wurden 68 Fälle nichtanzeigepflichtiger Erkrankungen gemeldet, darunter 9 Fälle
von PEncephalitis lethargica (Schlafsuchtskrankheit), woran 8 Personen starben.
Auffallend ist die Zunahme der Kindbettfiebererkrankungen (43 gegen 18 im Vorjahre).
Wegen Verfehlung gegen die Meldevorschriften hatten sich 9O Hebammen zu verantworten.
Der Ermittlung von Bazillendauerausscheidern wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt;
es standen 5 Diphtherie-, 3 Paratyphus- und 1 Typhusbazillenträger in amtlicher Kontrolle.
Außer den regelmäßigen zur Feststellung der Diagnose notwendigen bakteriologischen
Untersuchungen wurden auf besondere bezirksärztliche Anordnung in Typhus-, Ruhr- und
Paratyphusfällen noch bei 46 Personen Stuhluntersuchungen von der Zweigstelle der bakterio—
logischen Untersuchungsanstalt Erlangen in Nürnberg, Scheurlstraße 9, vorgenommen.
Bekämpfung der Tuberkulose. Der Zweckverband zur Bekämpfung der Tuber—
kulose e. V. erledigte in 8 Mitgliederversammlungen eine Reihe wichtiger Fragen, nachdem
er am 1. April 1923 die Fürsorgestelle des Vereins zur Bekämpfung der Tuberkulose in
eigenen Betrieb übernommen hatte.