Kaspars Selbstverwundung.
der Meinung, daß diese Schrift von einer alten Vorschrift abge—
zeichnet sein dürfte, da sich die Schrift vorzüglich in den Buchstaben
deh zruw e durchaus gleich bleibt.“ Allerdings war Kaspar
Zeichner und hatte bis zuletzt Zeichenstunden. Die Sache ist aber
die: ohne Vorübung hätte er den Zettel so nicht zustande bringen
können. Darum schrieb er auf zwei von den drei bei den Akten
vorhandenen Linienblättern: „Aller Anfang ist schwer, durch
UÜbung bringt man's (auf dem einen heißt es dann) weit, (auf
dem anderen) zur Fertigkeit.“ Und eben diese beiden Linien—
blätter passen im Wesentlichen genau zu den Zeilen
des Originalzettels. Ohne dieses Hilfsmittel ist der Zettel
nicht hergestellt worden.
In dem schon erwähnten Entfiegelungsprotokoll heißt es: „Herr
Oberlehrer Meyer übergab vor allem die noch vorhandene(n) Schreib—
und Übungshefte, 17 an der Zahl, welche man Blatt für-Blatt
durchging und hierbei nichts Besonderes zu bemerken fand, als daß
sich in mehreren Heften mehrere Blätter sichtlich herausgeschnitten
vorfanden, und daß namentlich in zwei Rechnungsheften aus einem
Quartblatt. herausgeschnitten war.“ Während man so den Inhatt
durchnahm, übersah man die Umhüllung, obgleich das Gericht sich
zu dem Verdacht veranlaßt gefunden hat, Kaspars Lehrer am
6. Januar 1834 die Frage vorzulegen: „Haben Sie jemals gemerkt,
daß Hauser sich im Rückwärtsschreiben geübt habe —?“ Meyer
mußte die Frage verneinen, wir können sie aber bejahen.
zwischen der Schrift Kaspar Haufers und der des Zettels nicht die geringste Ähn—
lichkeit stattfinde; der andere, Schreiblehrer am hiesigen Gymnasium, ein redlicher
Maun, aber Günstling des Herrn Generalkommissars und Privatlehrer im Hause,
konnte mit gutem Gewissen im allgemeinen sagen, da die eine Schrift eine ver—
kehrte Lage hat: Kaspar Hausers Schrift ist eine andere; und der dritte ist ein
Mann, der zwar hübsch schreibt, aber nie eine selbständige Meinung hat“ (Meyer
an Stanhope, den 24. Januar 1835). Was es aber besagen wollte, in den Augen
Stichaners mit Bezug auf Kaspar Hauser ketzerische Ansichten zu hegen, lehrt eine
Stelle aus einem Briefe, den er am 28. Dezember 1833 an den Minister Waller—
stein schrieb: „Ter Schullehrer Meyer, welchem er (K. H.) wie das Lamm
Ffolgen Punkte, gemeint ist: Gottes) anvertraut war, behielt noch bis an das
Ende diese Meinung (des Betrugs) und hat sie vielleicht noch“!