Volltext: Johann Tobias Kiessling und einige seiner Freunde nach ihrem Leben und Wirken

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fich hatte, ohne daß er fih den andern Mitgliedern des gehel= 
men Bundes fonderlich genähert hätte; denn diefer Bund hat 
das Befondere, daß feine Mitglieder nicht von andern Menfchen, 
fondern von dem unfichtbaren Dberhaupte felbft erft gezogen, 
dann gefalbt, dann geweiht werden, und Sfters Kann Einer bis 
da hinüber über die Sränzen der Ewigkeit Incognito reifen, 
ohne daß felbft die Brüder e& merken, daß er ihres Gleichen ift. 
Vigitil, der Schullehrer in Fürth, reifte aber nicht lange 
incognito, denn die Früchte, die er am Lebenswege austheilte, 
machten die Perfon des Reifenden gar zu Fund. 
Nun, diefer Vigitil hatte in feinem Sarten, hinten am 
Wohnhaus, gar fchöne Nelken, einen Topf am andern. Die 
Schule, wo er den Samen des Wortes Sotte8 treulich auss 
freute, war ihm wohl fehr lieb, aber die Nelken? — Er Fonnte 
doch des NMachmittags um 5 oder 6, wo des lieben fleißigen 
Mannes Schule endlich einmal aus war, Faum die Zeit er= 
warten, bis er hinausfam zu feinen lieben fchönen Nelken, 
und dachte wohl fchon, während die Kinder das Wbendlied in 
der Schule fangen, manchmal mehr an die fchönen Nelken, 
als an unfern Herr Sott,” 
Nun, lieber Gott! e8 ift auch etwas Schweres, fo 10 
bis 12 Stunden Hinter einander deine muthwillig fpringenden 
Lämmer zu weiden, bis Du erft ganz in uns eingefehrt biff, 
und du es bift, du ewig Ausdauernder! der die Lämmer wei= 
Det, und nicht wir. Denn wir find nicht fehr geduldig und 
ausdauernd, wir find ohne dich ein armer Staub, den der 
nächfte Augenblit fo oder anders geftaltet oder verweht. 
Da Fam denn einmal im Sommer ein ftarkes Hagelwetz 
ter und fchlug meinem lieben Schullehrer in Fürth alle feine 
fehSnen Nelken zufammen. Das that freilich weh, da der liebe 
Mann am Abend, ganz ermüdet vom langen Schulhalten, hinz 
ausfam und Feine einzige Nelke mehr fand. 
Aber nach etlichen Tagen kam die Facher Botenfrau und 
brachte ein großes Paquet und einen Brief. Der Brief war 
von dem lieben feligen Esner in Frauenaurach. Der wünfchte 
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