Full text: Johann Tobias Kiessling und einige seiner Freunde nach ihrem Leben und Wirken

100 " 
Srrenden feine Kraft beweifen! — Schade, daß der Verfaffer 
die Particular = Sefchichte des Dr. Bahrdt nicht gewußt; er 
hätte hın fonft gewiß auch etwas vom Aufftehen aus dem Taumel 
der abfheulichen Lüfte des Fleifches ans Herz gefagt. Schwerlich 
hat je ein Lehrer der evangelifhen Kirche die vollen und greuz 
lichen Becher der WoNüfte mit allen Ihren Sreueln fo in fich 
gegoffen, wie Bahrdt. Da er in feiner Jugend das Fräftige 
Wort Gottes fo lebendig als eine Kraft Gottes erfahren, und 
e8 nun dermaßen fhmäht; da er um Fahlen Senuffes willen die 
Sottheit unfers Erlöfers fo bündig behauptet, und wieder, um 
fi zu heben, fo frech angefalenz da er nichts von natürlicher 
Ehrlichkeit, Edelmuth und Süte des Herzens an fich hat: fo 
verzage ich, ob dies Wort der Liebe auf ihn wirkt, Nun genug, 
daß e8 an Andern gewiß taufend Segen hat! Mir ift es fehr 
erwecklich gewefen. Wenn die Menfchen doch nur fich etwas Mühe 
geben wollten, nachzudenken! Wird der Glaube der Chriften be 
Hürmt, ift denn dadurch der Unglaube fhon bewiefen? — — 
Sn jedem Syftem diefer Neulinge finde ih größere Schwierigz 
Feiten, als in meiner lieben Ordnung des Heils, Und erft ihre 
natürliche Religion! — — Ich leugne fchlechterdings, daß eine 
natürliche Religion eriftirt. Was man dafür ausgiebt, find Säße, 
welche die Vernunft der Bibel geftohlen, und zu denen fie fich 
nachher die Beweife erfunden. Sebt das Seftohlene heraus, und 
feht danız eure natlirliche Religion! — — Die Vernunft wußte 
diefen Sab nicht einmal, daß ein einziger Soft der Schöpfer der 
Welt fei. Ich fordere jeden Gelehrten auf, mir diefen Sa, 
plan hingefchrieben, in irgend einem Buche der weifeften Heiden 
borzuzeigen. Einem guten und böfen Wefen, den Göttern, dem 
Fatum, dem Ungefähr, einer Welt = Seele, den Atomen, und kauz 
fend andern Dingen fchreiben ffe die Schöpfung zu. OD du arme 
natürliche Religion! nicht einmal die erfte Srund-Wahrheit, nicht 
einmal den reinen richtigen Namen, eine einzige Sottheit 
— haft dur aus dir felbft hervorgebracht. Serade fo ift es mit 
ihren Zugendlehren. Ein guter chriftlicher Tertianer fchreibt jebt 
bernünftiger und einleuchtender von den Mflichten des Menfchen,.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.