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Organisation entfaltete, welche für alle habsburgfeindlichen Mächte
ein Gegenstand der Umwerbung werden mußte. Bereits wurde Ferdi—
nands Königswahl zum Vergnügen der bayerischen Herzoge bestritten.
Und wie sollte es werden, wie auch hernach geschah, wenn Frankreich
die Situation zu seinen antihabsburgischen Zwecken ausbeutete? Und
vollends, wenn der Großsultan seinen Gewaltangriff auf Ungarn und
österreich erneuerte? Allerdings war es im Oktober 1529 der todes—
mutigen Tapferkeit der Besatzungstruppen gelungen, ein Heer von
200 000 Türken von den baufälligen Mauern Wiens zurückzuweisen.
Wer hätte sich aber verbürgen mögen, daß ein zweites Mal den
Verteidigern ein gleiches Glück lächeln würde? Und man wußte,
daß Suleiman bereits einen neuen Krieg vorbereite.
Unter diesen Umständen hielt es der Kaiser für geraten, einzu—
lenken. Der Schirmherr der Kirche, der Ketzerverfolger, trat zurück
hinter dem Politiker und selbst der Papst verschloß die Augen nicht
gegen das Gebot der Notwendigkeit und trat den auf eine Verständig—
ung mit den protestierenden Ständen hinzielenden Maßregeln des
Kaisers mit keinem Einspruch entgegen. So wurde denn, nachdem,
bom Kaiser beauftragt, Kurmainz und Pfalz als Vermittler in ver—
schiedenen Zusammenkünften das Nötige eingeleitet hatten, im Juli
1532 zu Nürnberg zwischen kaiserlichen Bevollmächtigten und
schmalkaldischen Bundesgenossen der sogenannte Nürnberger Re—
ligionsfrieden vereinbart. Demselben gemäß sollten bis zum Konzil
oder bis zum nächsten Reichstag die Stände der Religion wegen
einander nicht bekriegen, verfolgen oder überziehen. Die wegen Aus—
führung der Augsburger Reichstagsbeschlüsse anhängigen Prozesse
wurden eingestellt. Damit war den bisherigen Bekennern der
Augsburger Konfession der Friede gesichert, nicht aber den fremden,
noch den künftigen Glaubensverwandten. Auch hatten sich die schmal⸗
kaldischen Verbündeten in besonderem Abkommen verpflichtet, zum
Vunde nur Bekenner der Augsburger Konfession zuzulassen, mithin
alle Zwinglianer und Wiedertäufer zurückzuweisen. „Sakramentierer“,
wie Luther die Zwinglianer nannte, und Wiedertäufer sind diesem
mmer Kinder des Satans geblieben.
Es war ein halbes Werk, das weder nach der einen noch nach
der anderen Seite befriedigte. Die Altgläubigen wüteten, daß dieser
Friede den früheren Reichstagsbeschlüssen widersprach und die Neu⸗
gläubigen sahen mit Unmut der Ausbreitung ihres Glaubens einen
Riegel vorgeschoben. Und doch war es gerade Luther, dem aber
bei 'all seiner Streitbarkeit jede Widerspenstigkeit gegen den Kaiser
ein Greuel war, der das Nürnberger Notabkommen besonders ge—
fördert hatte. Er sagte damals: „Wer zu hart schneuzt, der zwingt
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