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dort Besuche machten. Die Ansichten und das Verhalten war beim
Adel wie im Bürgertum ganz gleich. Das schlechte Beispiel der
bielen reichen müßigen Geistlichen hat nicht wenig beigetragen, die
Sitten zu verderben. Das Nürnberger sogenannte Frauenhaus mit
des Rats Privilegium befand sich im Maukenthal, dem jetzigen Frauen—
zäßchen. Die Dirnen durften bis zum Jahre 1496 sogar an den
Tänzen auf dem Rathaus oder beim Derrer an der Derrers- oder
Säubrücke (jetzt vereinigt mit den Lokalitäten des ehemaligen Gast—
hauses zum Bitterholz, das Hotel zum bayerischen Hof), wo häufig
Patrizierhochzeiten und Tänze stattfanden, teilnehmen. Es durften
jedoch diese Hübscherinnen, fahrende Frauen und wie sie sonst hießen,
niemals aus Nürnberger Eingeborenen, sondern bloß von auswärts
aufgenommen werden. Charakteristisch ist eine Ratsverordnung von
1480, durch welche, um dem vielfachen Argernis, welches durch öffent—
liche Unzucht in und außerhalb der Stadt, namentlich zu Gostenhof,
bereitet wird, vorzubeugen, zu derlei Unfug der Judenbühl und der
Anger zwischen dem Reutersbrünnlein (damals Willibaldbrunnen)
und dem Plerrer angewiesen wird.
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Taufen, Hochzeiten und Leichenbegängnisse waren
öffentlich, sie galten gleichsam als öffentliche Angelegenheiten und es
bestanden für alle diese Vorgänge im Familienleben die genauesten
Vorschriften. Die Zahl der Gevattern wie die der Besucherinnen
der Kindbetterin und die Sorten des an jene verabreichten Gebäcks
war ebenso genau vorgeschrieben wie die Zahl der Hochzeitsgäste
und der Gänge beim Mahl; ebenso die Art und Ordnung der
Speisen und Getränke und der Wert der Geschenke bei Taufen und
Hochzeiten und ähnlich war es hinsichtlich der Leichenbegängnisse.
Im Ganzen war die Hauptabsicht aller dieser zahlreichen Verord—
nungen, dem überhandnehmenden Luxus zu steuern, der in vielen
Beziehungen einen bedenklichen Umfang angenommen hatte. Jede
Eheschließung wurde an und für sich schon zweimal gefeiert; am Ver—
lobungstage, dem Tage der Lautmärung (der Bekundung) und am
Tage der Trauung (Vertruwung). Der erstere Tag galt eigentlich
als der wichtigere. Die Hochzeit dauerte in manchen Städten 3258
Tage; in Nürnberg wurde durch Verordnung des Rats die eigent—
liche Hochzeit auf den Trauungstag beschränkt. Dann wurden in
den nächsten Monaten nach der Hochzeit zur Ehre des neuen Ehe—
paars mehrfache Festmahle, sogenannte Höfe, d. h. Gesellschaften,
gehalten; auch gegen diese Ubung trat der Nürnberger Rat nach—
drücklich ein. Zu den Nürnberger Hochzeitsgebräuchen gehörte
namentlich das „Hofieren“, welches sowohl bei den zur Hochzeit