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Jahresvegetationskurve kündigen in der Zeit die charakteristischen Lebens—
phasen der Pflanzen an, und es bedarf deshalb nur der Vornahme von
zweckmäßig auf die Vegetationsdauer des Jahres verteilten Einzel—
beobachtungen, um das durchschnittliche, durch örtliches Klima bedingte
Vegetationsbild festzustellen. Bei diesem leicht erreichbaren Ziel und dem
daraus für die Landeskultur erwachsenden Vorteil kann es, wie dies in
anerkannter Weise in vielen Kulturgebieten im Gang ist, nur empfehlens—
wert sein, der örtlichen Vegetationsentwicklung gleiche Aufmerksamkeit zuzu—
wenden, wie den Witterungserscheinungen, und ähnlich zu verfahren, wie
in der Meteorologie, nämlich Vegetationsbeobachtungen anzustellen, Termine
zu registrieren, diese zusammenzustellen und die Ergebnisse in passender
Form, tabellarisch oder kartographis ch zur Anschauung zu bringen. Rationell
ausgeführte Einzelbeobachtungen an Pflanzen führen auch zu gleich brauch⸗
baren Ergebnissen wie in der Meteorologie, da sich im zeitlichen Eintritt
der zur Beobachtung sich eignenden Lebensäußerungen der Pflanzen ohn⸗
geachtet der jährlich schwankenden Termine eine unverkennbare Gesetzmäßig—
keit zeigt. Man erhält nämlich erfahrungsgemäß nach einer längeren
Reihe von Beobachtungsjahren Mitteltermine, die sich zur Vergleichung
ebenso eignen, wie die aus langjähriger Aufnahme der täglich schwankenden
Witterungsfaktoren: Luftdruck, Temperatur, Niederschlag u. s. f. berechneten
Mittelwerte, und damit die Grundlage zu einer eigenartigen, aus dem
pflanzlichen Leben hervorgegangenen „vergleichenden Klimatologie“.
Die Gewinnung brauchbarer Vergleichungstermine erfordert aber ebenso—
wohl sorgfältige Pflanzenauswahl wie methodisches Beobachten. Es eignen
sich dazu nur langlebige Blütenpflanzen und unter diesen am besten die Holz—
pflanzen: Bäume und Sträucher. Innere Organisation und vollendeter
Bau machen diese unabhängiger von der Standortsfrage, erleichtern ihre
Anpassung und Verbreitung, erhöhen ihre Widerstandsfähigkeit gegen schäd—
liche äußere Einwirkung und sichern den gleichmäßigen Entwicklungsgang,
der für Erhaltung richtiger Beobachtungsresultate maßgebend ist. Letztere
gehen aus dem an Holzpflanzen leicht wahrnehmbaren Eintritt der Ent—
wicklungsstadien hervor, die durch folgende Bezeichnung der Phasen: erste
Blattoberfläche sichtbar, erste Blüte offen, erste Frucht reif, Laubverfärbung
— einen präcisen Ausdruck erhalten und bei sorgfältiger Registrierung des
Eintrittes der Termine dieser Phasen das Mittel zur klimatischen Ver—
wertung bieten.
Der Eintritt der genannten Phasen zeigt aber nicht allein eine
äußere Erscheinung an der Pflanze an, er deutet auch auf eine Wandlung
in den inneren Vorgängen derselben hin, weshalb die Beobachtungstermine
auch wissenschaftliches Interesse beanspruchen. — Die äußeren Bedingungen
für das Leben der Pflanzen sind in den verschiedenen Entwicklungszuständen
nicht die gleichen. Pflanzen im ersten Stadium der Verjüngung, im