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—* II. Die Festtage 64
Fiebers, herausgenommen und in seinem fünfzehnten Lebensjahr
zu einem Schuhmacher in die Lehre gegeben.
Nach zweijähriger Lehrzeit begab er sich auf die Wander—
schaft, und indem er mit offenem Sinn und regem, für alle
großartigen Eindrücke empfänglichem Geiste das südliche und
westliche Deutschland durchzog, bewahrte er, eingedenk der
Lehren seiner Eltern, inmitten der Versuchung einen sittlich
reinen Siun, zugleich faßte er eine große Liebe zur Dichtkunst.
Das Laster zu fliehn und der Tugend nachzustreben, sowie
dem edlen Meistergesange obzuliegen, das waren die zwei
Gelübde, die der junge Handwerksbursche vor seinem Innern
ablegte und fortan sein ganzes Leben hindurch zu halten
bemüht war. Nach fünfjähriger Wanderschaft ließ er sich in
seiner Vaterstadt als Schuhmacher nieder und lebte mit seiner
Gattin Kunigunde Kreuzer, der einzigen Tochter und Erbin
Peter Kreuzers zu Wendelstein, seinem Handwerk und der
geliebten Dichtkunst obliegend, in glücklicher Ehe. Seine Frau
arbeitsam und fromm, gehörte zu jenen, „deren Schmuck bleibt
beständig, denn ihren Schatz tragen sie inwendig“, nur bemerkt
er schwankweise, daß sie etwas hitzigen Temperaments, viel
Kieferbieskraut in ihren Garten gebaut, d. h. viel gezankt habe.
In einem Gedichte (vom Jahre 1541): „Das bittersüß
ehelich Leben“, in welchem der Dichter einen erfahrenen Meister
ihn, Hans Sachs, den jungen Gesellen, vor allzuraschem und un—
überlegtem Heiraten warnen läßt, hat er offenbar seine eigenen
Erfahrungen aus dem ehelichen Leben ausgesprochen, und es
unterliegt keinem Zweifel, daß wir dabei an seine Kunigunde
zu denken haben.
Wir übergehen hier der Kürze der Zeit wegen nicht nur,
sondern weil an anderer Stelle der „Meistersinger“ aus be—
redtem Mund schon in herrlichster Weise gefeiert wurde, den
Teil aus Hans Sachseus Leben, der ihm, dem Sänger und
Dichter, den Lorbeer wand, und betrachten uns den Reformator.
Schon anfangs des 16. Jahrhunderts, vor Luther schon,“