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II. Die Festtage 44
„seinem Grimm also die Zügel schießen, daß der Nürnberger
Rat es für gut fand, letzteres überaus merkwürdige Gedicht
aus seinem 11. Spruchbuch auszuschneiden; zum Druck
gelangten die den Markgrafen betreffenden Gedichte über—
haupt nicht; so hütete man sich, dem unberechenbaren Mann
irgend einen Vorwand zu einem feindlichen Vorgehen gegen die
Stadt zu geben.
Damit sind wir auf des Dichters Verhältnis zu seiner
Vaterstadt gekommen. Es ist nicht gleichgültig, wo der Mensch
geboren wird, wo er seine Jugendzeit verträumt und wo er
anfängt, am öffentlichen Leben teilzunehmen. In dieser Beziehung
hatte es Haus Sachs glücklich getroffen. Nürnberg stand zu
jener Zeit auf der höchsten Stufe seiner Entwicklung; Kunst
und Kunstgewerbe waren zur schönsten Blüte gelangt; neben
dem großen Welthandel und der Wissenschaft war auch der
Handwerkerstand zu einem kraftvollen Dasein gekommen, das
sich besonders in dem Bildungstrieb der untern Stände kund
gab und im Meistergesang zu herrlicher Blüte entfaltete. In
einen solchen Kreis gestellt zu werden, Männer, wie sie damals
in der ganzen Welt mit Ehren genannt wurden, zu Zeitgenossen
zu haben: da mußte es eine Lust sein, zu leben, da konnte es
nicht anders sein, als daß der Sohn mit tausend Fasern seines
Herzens an der schönen und berühmten Vaterstadt mit ihrem
Schmuck und ihren Schätzen hing. Der prächtige „Lobspruch
auf Nürnberg“ ist deshalb als sein voller Herzenserguß zu
betrachten, und wir folgen ihm gern bei der Aufzählung all
des Schönen und Guten, das in Nürnberg zu finden, bis er
seinen Hymnus endlich also schließt:
Aus hoher Gunst ich mich verpflicht',
Zu vollenden dies Lobgedicht
Zu Ehren meinem Vaterland,
Das ich so hoch lobwürdig fand
Als ein blühender Rosengart',
Den Gott ihm selber hat bewahrt“