Die Festtage 6
Gilt gleich, nur kennt als Meistersünger
Nicht darin, daß dem Meistersang
Er huldigte ein Leben lang,
Dem Sange, der ich sag' es frei
Zuletzt verkam in Künstelei
Trotz Jungfraueu- und Silberweis
Oder wie sonst der Ton auch heiß',
Nicht daß er selbst zum Singstuhl schritt
Und sich den Davidspreis*erstritt
Nicht darin liegt es, wenn ihr fragt,
Daß er so viele überragt:
Er war ein Dichter! Nicht ein Singer!“*
Was er berührte mit dem Finger
Und mit dem Herzen, ward zu Gold:
Er war, wie noch ihr wissen sollt,
Im tiefen Wald ein klarer Bronnen,
Deß Spiegel in dem Licht der Sonnen.
Was ihn umgibt, so widerstrahlt,
Als wär' vom Maler es gematt,
Ein Quell, gar lauter und gar rein,
Ein unversiegbar Wässerlein,
Ein Luftbild, das am Himmelsbogen,
Die Ferne spiegelnd, aufgezogen,
Ein wunderthätig Sonntagskind,
Das Zwiesprach hielt mit Sonn' und Wind,
Mit Feld und Wald, mit Blum' und Baum,
Das, was es wollte, sah im Traum,
Mit kommenden Geschlechtern sprach,
Den Riesen Griesgram niederstach.
Als Narr sich barg im bunten Ktleid
Der Lebensweisheit zum Geleit:
Das Alles war er und noch mehr.
Wo nehm' ich nur die Worte her.
*) Der Nürnberger Zunft der Meistersinger schentte Hans Sachs eine feidene
Schnur mit 3 vergoldeten Silberliugen, deren einer das Bildnis Davids trug. Hievon
hieß der erste Preis bei dem Wettsingen der Meisterfinger der Davidsgewinner. Statt der
verblichenen Seidenschnur ließ Wagenseil päter eine silberne Kette mit veraoldeter Dentk—
münze anfertigen
*) Diesen Gegensatz stelt Sachs selbst in dem Meisterliede „Tichter und
Singer“ auf