Volltext: 1834-1884 (2. Band)

Dr. Albert schwankt. 
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sich war freilich „lächerlicher“ als der fuͤr heterodox erklärte „Glaube“, 
aber er wirft denn doch ein grelles Licht auf den eigentlichen Cha— 
rakter der in München von dem Ansbacher Gerichte verlangten Auf— 
treibung und Verfolgung eines Hirngespinstes, eines „Mörders“ 
Kafspar Hausers. 
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Wieè lebhaft wird man sich da in Ansbach gestritten haben! 
Die verschiedenen Strömungen lassen sich noch jetzt dentlich in der 
Haltung der Ärzte wahrnehmen. So war z. B. der Landgerichts— 
arzt Dr. Albert anfangs der verständigen Meinung, daß die Rich— 
tung des Stichs, da doch der angebliche Mörder von großer, und 
Hauser von kleiner Statur war, die Verwundung durch fremde Hand 
nicht wahrscheinlich machte; denn eine fremde, wie man annahm, 
geübte Hand würde das spitzige, zweischneidige Instrument geschickter 
geführt, wiederholt angewendet und den Zweck unfehlbar erreicht 
haben. Am 18. Dezember hatte Dr. Albert in Gegenwart des Kon— 
sulenten Hoffmann gegen Hickel geäußert: „Es ist ein Glück für 
Hauser, daß er gestorben, und fur Feuerbach, daß er tot ist.“ In 
einem (von dem Wundarzt Koppen am 31. Dezember gebilligten) 
Gutachten aber fügte der Arzt sich der von oben gewünschten Strömung. 
Kaspars große Leber war ihm „der wichtigste Beleg für die lang— 
wierige, enge Einsperrung des Hauser“, wobei er dann auf die künst— 
liche Gänsemast verwies! Und doch steht in seinem ausführlichen 
Gutachten) der Satz: „Die Möglichkeit des Selbstmordes kann 
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N Gegen seine Beurteilung der Wunde sprach sich der Kreismedizinalrath Dr. 
Mair zu Ansbach in einem Schreiben an Dr. J. Meyer 1871 so aus: „Die 
Richtung der tödlichen Verleßung von oben nach unten, außen — links, nach 
innen — rechts, kann eher durch. eine Selbstaktion bei an dem Oberkörper ange— 
zogenem Oberarm und spitzwinkeliger Elevation des Vorderarmes linkerseits mit 
Einwärtsbeugung der gleichseitigen Hand erzielt werden, als durch eine Aktion 
eines dritten. Da K. H., wie konstatiert, linksseitig war, so ist diese Annahme 
um so mehr berechtigt. In sitzender Stellung gehört gar nicht viel Kraft dazu, sich 
eine, wie beschrieben, verlaufende Wunde beizubringen, während es kaum, oder nur 
gezwungen möglich sein wird, solche Richtung durch einen dritten verfolgt, an⸗ 
nehmen zu können.“ Hierzu vergleiche man die Sitzzsteine, die Kaspar bei seiner 
Vernehmung in der Erinnerung hatte (J. S. 341 oben). 
v. d. Linde, Kaspar Hauser. II-
	        
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