Full text: 1834-1884 (2. Band)

368 Chro nologische übersicht unb Kaspar⸗Hauser-Litteratur. 
Kirche wählte er gewöhnlich so, daß er jeden Augenblick ungenirt aus der— 
selben weggehen konnte. Selten hörte er die ganze Predigt mit an. Bis 
zum Schlusse des Gottesdienstes blieb er fast nie. Wenn er nur einigen 
Grund hatte, versäumte er ihn ganz, und in den letzten 4ÿ25 Wochen 
besuchte er gar keinen Gottesdienst mehr, indem er jedesmal sagte, er müsse 
den heutigen Vormittag im Lateinischen arbeiten, wenn er seine Aufgaben 
fertig bringen solle.) 
26. Binder wird (jetzt schon!) als Kaspars Vormund verpflichtet 3, 287. 
Dezember. 
Schlaflüge 3. 453 5. Im vorigen Winter hatte ihm eine Frau 
ihren Herzenskummer entdeckt, und er nahm großen Antheil. Meine 
Fran, welche erfahren hatte, daß jene Frau bedenklich krank sei, kam über 
Tisch im Gespräch auf dieselbe und drückte ihr Bedauern aus. H. nahm 
das Wort und äußerte sich in folgender Weise: „Ja die Frau N. wird 
nicht mehr ganz gesund. Sie hat sich schon zu arg hinuntergegrämt. Der 
fehlte jetzt auf der Welt Nichts; sie hätte Alles, was sie fich nur wünschte. 
Nur ihr Mann ist gegen sie nicht, wie er sein sollte. Er mag sie eben 
nicht, hat Jüngere lieber. Es ist so schad für ihn. Denn er hat sonst 
gar keinen Fehler, auch gar keinen. Er ist außerordentlich gescheidt, 
gegen Jedermann sehr gut, dient und hilft, wo er kann, und nur den 
Einen Fehler hat er. Und er wird nicht mehr anders, wenn sich Frau 
N. auch zu Tode grämt. Ihre Bekannten sind aber auch dumm genug 
und sagen ihr immer wieder, was sie gehört haben. Ich hab' es ihr aber 
gesagt: Das sind keine Freundinnen von Ihnen; sonst würden sie Ihnen 
so was nicht sagen. Wahre Freundinnen sagten Ihnen nicht etwas, wo— 
rüber Sie sich abgrämen, und was doch nicht mehr zu ändern ist. Sagen 
Sie diesen guten Freundinnen, sie möchten solche Sachen nur lieber für 
sich behalten. Sie wollten Nichts mehr hören.“ Nachdem ich bei diesen 
J Bei dieser Stelle finde ich (Dr. Jul. Meyer) von der Hand meines Vaters 
in der öfter erwähnten Abschrift folgende Anmerkung: Ich weiß wohl, daß man 
bei diesem Absatze sagen kann: In dieser Beziehung gibt es heut zu Tage viele 
C. H., und sie sind deßhalb nichts weniger, als Betrüger, und es beweist dies also 
gegen C H. Nichts. Ich stimme hier gerne bei. Allein es ist gewiß noch Nie— 
mandem eingefallen, von einem solchen Menschen in die Welt hinauszuschreiben, 
daß er „religiös“ sei, wie es in Beziehung auf C. H. geschehen ist. Zur Be— 
richtigung einer von Pfarrer Fuhrmann verbreiteten falschen Meinung über C. H 
ftand ich es für nöthig, auch diesen Umstand zu besprechen.“
	        
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