Volltext: 1834-1884 (2. Band)

336 Chronologische übersicht und Kaspar-Hauser-Litteratur. 
und sein Gemüth, und unbekannt mit seinen Empfindungen quälten ihn 
Anfangs auch diejenigen, die es gut mit ihm meynten. Er konnte, zumal 
bei dem frühern Erhöhtseyn seiner Verstandeskräfte, bald auf den Wunsch 
kommen, durch List, die Waffe der Schwachen, sich seinen Zustand etwas 
erträglicher zu machen, Widerwärtiges zu umgehen und sich der ungeheuern 
Zudringlichkeit, womit man dies unglaublich schwache und zarte Wesen un— 
ablässig bestürmte, zu erwehren. Wie es oft bei Kindern vorkommt, daß 
sie den Erwachsenen und Vorgesetzten ihre Schwächen abmerken und sich 
darnach zu verhalten lernen, so war es auch bei Hauser der Fall. Ueberall 
wvollte man von ihm geschmeichelt seyn, und so schmeichelte er denn, lernete 
seine Gefühle verstellen oder verbergen und übte sich wohl schon in einem 
unwahren Verhalten, ehe er nur ein Bewußtseyn davon hatte, indem er 
sich gegen die Menschenwelt, die ihn umgab, wie gegen ein Heer von 
Feinden verhielt, durch welches er sich mit den Mitteln, die ihm zu Gebote 
standen, so gut es gehen wollte, durchzuschlagen, vom Naturtrieb der Selbst— 
erhaltung gedrungen ward. Auch konnte er bald bemerken, daß in unsern 
konventionellen Verhältnissen und Höflichkeitsformen keine Aufrichtigkeit sey; 
er beobachtete das falsche Spiel, das die Menschen gegen einander treiben, 
ja oft zu treiben gezwungen sind, und konnte sich Fälle solcher Art zum 
Muster, wie zur Entschuldigung nehmen.“ — 3. Kaspar macht am Samstag 
einen Spazierritt 139, und begegnet von Wessenig, der ihn mit dem Ur— 
brief zum besten hat 3, 220 Anm. — 4. Binder (durch Hauser) an von 
Wessenig (am angeführten Orte 3, 221 Anm.), und von Wessenig an 
Binder. Kaspar kriegt Brechnuß zum Anriechen. „Am 4. Oktober, ließ 
ich ihn an Nux vomica riechen. Ich bereitete hiezu über die sonst als 
höchste gebräuchliche Decillion-Verdünnung hinaus, noch drei höhere Ver⸗ 
dünnungen mit jedesmal dreihundert Tropfen Weingeist und zwei Schüttel⸗ 
schlägen; davon that ich ein befeuchtetes Kügelchen in ein Gläschen und 
ieß ihn an dessen trockenem Stöpsel riechen. Er roch die Arznei etwa eine 
Spanne weit. Tags darauf ließ ich ihn des Morgens wegen starker An— 
gegriffenheit an einem verstopften Gläschen mit Kampferverdünnung riechen, 
doch ohne mildernden Erfolg wahrzunehmen. Auf ein zweites Riechen min— 
derte sich die Kopfbeneblung; ich ließ ihn noch öfters riechen, gleichwohl 
dauerten die eigenthümlichen Arzneisymptome noch mehrere Tage lang. Wein— 
geruch erleichterte nur auf kurze Zeit den Kopf. Vom Kaffeegeruch bekam 
er, wie es schien, einmal weiche Oeffnung, ohne daß dadurch die Arznei⸗ 
symptome aufgehoben wurden“ (Nr. 30, II. S. 47). — (12.-15. Er— 
dichtete Ahnung 155.)
	        
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