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XXIII.
Kaspars Kerkerleben.
„Kein anderer Mensch, er müßte denn mindestens ein mit etwas
Allmacht und Allwissenheit ausgerüsteter Zauberer sein, vermöchte eine
Lüge dieser Art so zu lügen, daß sie, wo man sie auch beleuchtete,
wie die lauterste reinste Wahrheit, wie die in Rerson ericheinende
Wahrheit selbst aussähe.“
Feuerbach (1832 S. 61).
Damit die Psychologie später nicht in Verlegenheit zu kommen
hrauchte, Kaspar Hausers Phantasie eine zu große Gestaltungsgabe
beizulegen, ist Feuerbach so freundlich gewesen, die Prototypen
der Geschichte, an deren Beurteilung wir jetzt herantreten, selbst zu
schildern.
„Schon war K. H. weit über einen Monat zu Nürnberg, als
ich unter den neuesten Neuigkeiten von diesem Findling erzählen
hörte. Amtliche Anzeigen über dieses Ereigniß waren den obersten
Behörden der Provinz noch nicht zugekommen. Blos als Privat—
mann, aus menschlichem und wissenschaftlichem Interesse, begab ich
mich daher am 11. Juli (1828) nach Nürnberg, um diese in ihrer
Art einzige Erscheinung zu beobachten.
Kaspar hatte damals noch immer seine Wohnung auf dem
Luginsland am Vestner-Thore, wo Jedermann zu ihm gelassen
wurde, der ihn zu besehen Lust hatte.) Wirklich genoß Kaspar vom
Morgen bis zum Abend kaum eines geringeren Zuspruchs, als das
14 Und was dem braven begeisterten Kasparpropheten Hiltel (mit feinen
acht Kindern) ein hübsches „Trinkgeld“ eingebracht haben mag!