Feuerbach phantasiert.
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Es ergab sich indessen bald, daß weder Blödsinn noch Verstellung
dem, Benehmen des Jünglings, angeblich K. H. genannt, dem An—
scheine nach beiläufig 162518 Jahre alt, zu Grunde liege, daß viel—
mehr derselbe, seiner sehr guten natürlichen Anlagen ungeachtet, an
seinem Geiste gänzlich verwahrlost und einem unmündigen Kinde gleich
zu achten sei, welchem die ganze äußere Welt noch unbekannt geblieben.
Der körperliche und geistige Zustand, in welchem sich dieser an—
gebliche K. H. befand, dessen Herkunft bis jetzt noch nicht auszumitteln
gewesen, sowie die Erzählungen, welche derselbe über einzelne Um—⸗
stände seines früheren Lebens nach und nach zu geben vermochte, be—
gründeten die hohe Wahrscheinlichkeit, daß an demselben auf grausame
Weise von seiner ersten Kindheit an viele Jahre lang das Ver—
brechen des widerrechtlichen einsamen Gefangenhaltens, zuletzt aber das
Verbrechen des Aussetzens einer. hilflosen Person verübt worden ist.
Diese Wahrscheinlichkeit wurde neuerdings durch einen Vorfall
bestätigt, welcher sich am 17. Oktober d. J. ereignete und nach allen
Umständen mit den früheren an H. verübten Missethaten in dem
innigsten Zusammenhange steht.
Es wurde nämlich K. H. an diesem Tage zu Nürnberg in seiner
Wohnung von einem Manne mit vermummtem Gesichte meuchlings
überfallen und am Kopfe verwundet, sodaß er besinnungslos zu
Boden stürzte. Der Thäter ergriff sofort die Flucht), und es ist
1) Was v. Feuerbach nicht alles schon weiß! Natürlich hatten dumme
Weiber schon bald den schwarzen Mann gesehen. Die Wäscherin Maria Marg.
Geiersberger sah sich um 2 Uhr nachmittags von einem Handwerksburschen (der
aber dem Rotschmiedslehrling Jos. Pfauntsch nur „etliche 20 Jahre alt zu sein schien“)
angebettelt. Daraus macht Feuerbach (S. 136): „Bald ergaben sich ... mehrere,
Spuren des Thäters nachweisende Anzeigungen. Dahin gehört 3. B., daß an dem—
selben Tage, in derselben Stunde, wo die That geschehen, der von K. H. be—
schriebene Mann gesehen worden ist, wie er aus dem Daumerschen Hause
sich wieder entfernte!“ Frau Christiane Übelhör hat gesehen, daß um 121,2 Uhr
ein sothanes Kasparmäunchen in den Feuerkufen des Hauptspitals, welches der
Schütt gegenüber liegt, sich die Hände gewaschen hat. Die wahrscheinlich
blutigen“ Hände, ergänzt Feuerbach! Den 21. Okttober hat ein etwa 40 jähriger
Herr sich morgens zwischen 6 und 7 Uhr bei Marg. Steugel erkundigt, ob K. H.
schon gestorben sei, und im Tiergärtnerthor die Bekanntmachung gelesen. Tas
sind doch gewiß alles miteinander recht verwegene -- Mörder!