Die Zeit, in welche Kaspar Hausers Auftreten fällt,
war sehr geeignet, um einen Schwindel, der sich in das
Gewand des Geheimnisvollen hüllt, gelingen zu lassen. In
Deutschland und dem meisten übrigen Europa herrschte eine
Stickstoffschwüle, die durch die Thatenlosigkeit der Zeit ver—
mehrt wurde. Der fromme Absolutismus hatte sich seit der
heiligen Allianz befestigt, die Reaktion lastete auf den Völkern,
aber nicht ohne auf Widerspruch zu stoßen. Im Volke war
der konstitutionelle Gedanke lebendig und nährte den Haß
gegen die Höfe, namentlich solche, an denen arge Skandal—
geschichten vorfielen. Die Aufdeckung eines Geheimnisses,
welches einen unliebsamen Hof kompromittierte, wurde von
vielen mit gieriger Freude begrüßt. Verbunden mit der
trotzig-düstren Stimmung war ein Hang zu ungesunder
Phantastik, der sich deutlich in den damaligen Geistes⸗
produkten ausspricht. In der Philosophie hatte Schelling
das Bereich der Mystik betreten, in der Romanliteratur
E. Th. A. Hoffmann einer ungeheuerlichen Phantasterei die
Thür geöffnet. Die romantische Schule, die Schicksalsdichter,
die sentimentalen Humoristen u. a. trugen dazu bei, den
Hang zum Phantastischen zu fördern und die Stimmung dem
Unwahrscheinlichen, ja Unglaublichen geneigt zu machen, wenn
es nur mit einer gehörigen Dosis Romantik gewürzt war.
In solchen Tagen nun erscholl die Nachricht, in Nürn—
berg sei ein junger Mensch aufgetreten, dessen ganzes Be—
nehmen und eigne Aussagen darauf schließen ließen, daß er
viele Jahre lang, ohne etwas Böses gethan zu haben.,